FLUSSPFERD – Reales Tier / Denktradition

Flusspferd – A. Das reale Tier

Das Flusspferd ist dem Mittelalter nicht aus eigener Anschauung bekannt. Die frühe Neuzeit kennt das Flusspferd punktuell durch die Tierpräparate des neapolitanischen Chirurgen Federico Zerenghi (1601), die dem flämischen Maler Peter Paul Rubens für sein Bild Die Flusspferdjagd (1615/16) als Vorlage dienten. Erst 1850 kam das erste Flusspferd, das man nach seinem Herkunftsort Obaysch nannte, in den Londoner Zoo und kurz darauf ein zweites in die Pariser Menagerie.

Lit.: H. Frädrich: Das Flußpferd, in: Grzimeks Tierleben 13 (1993), 107-125, hier 107; A. Brehm: Tierleben. Säugethiere: Vierte Reihe: Hufthiere, 2002 (Digitale Bibliothek 76), 5658-5714 (3, 570-588), hier: 5666; C. List: Tiere. Gestalt und Bedeutung in der Kunst, 1993, 131 (Kommentar) und 146f. (Abbildung); N. J. Root, Victorian England’s Hippomania, in: Natural History (Feb. 1993), 34-39.

Sabine Obermaier

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Flusspferd – B.1 Antike Zoologie

Erste Erwähnung findet das Flusspferd bei Hekataios von Milet (ca. 560-485/75 v. Chr), auf dessen verloren gegangenen Bericht Herodot in seinen Historien (5. Jh. v. Chr.) zurückgreift. Von Herodot (2,71) übernimmt Aristoteles, der das Tier offenbar auch nicht aus eigener Anschauung kennt, seine für spätere naturkundliche Enzyklopädien maßgebliche, jedoch mit Irrtümern behaftete Beschreibung (HA 502a,9-15). Nach Aristoteles hat das Tier eine Stimme und eine Mähne wie ein → Pferd (erst Diodorus, I, 35, erwähnt die Pferdemähne nicht mehr), eine dem Pferd bzw. → Esel vergleichbare Anatomie, zweigespaltene Klauen wie ein → Rind (s. a. 409b,10), einen Schwanz und Hauer wie ein Schwein (bei Herodot noch einen Pferdeschweif), die Größe eines Esels und eine undurchdringliche Haut; einzig die Hauerzähne und die dicke Haut finden eine Entsprechung beim realen Tier. Für Aristoteles gehört das Tier zu den luftatmenden Landtieren, die nicht getrennt vom Wasser leben können (HA 589a,28). Offenbar durch den Namen in die Irre geführt, beschreibt Aristoteles auch, dass das Flusspferd wie das Pferd die Wasserstelle mit den Hufen aufrühre, damit das Wasser trüb werde (HA 605a,13). Plinius übernimmt die aristotelische Beschreibung weitgehend (NH 8,95f.), relativiert die Gefährlichkeit der Hauer und ergänzt die Beschreibung um weitere Details wie z.B. die Geburt im Nil und die Verwendung der Haut für die Herstellung von Schilden und Helmen). Plinius beschreibt zudem, wie das Flusspferd, wenn es Getreidefelder abweidet, mit seinen Spuren verfährt, damit man ihm nicht nachstellen kann, und wie es sich bei Übersättigung mit einem Aderlass behilft (NH 8,96). Überdies erwähnt Plinius den römischen Ädil M. Scaurus, der bei den von ihm veranstalteten Spielen als erster ein Flusspferd und fünf ¬ Krokodile in einem eigens dafür gegrabenen Wasserbecken zeigte (NH 8,96, vgl. Solinus 32,31). Über Solinus (32,30) kommt die Beschreibung des Plinius an Isidor und ins Mittelalter.

Ausg.: Aristoteles: Tierkunde, übers. P. Gohlke, 21957; Herodot: Historien, gr.-dt. ed. J. Feix, 72006; C. Plinius Secundus: Naturalis historia, lat.-dt. ed. R. König / G. Winkler, Bd. 8, 2007; C. Iulius Solinus: Collectanea rerum memorabilium, ed. Th. Mommsen, 1895, ND Berlin 1958.

Lit.: O. Keller: Antike Tierwelt I, 1909, 406f.; A. Steier, Nilpferd, RE1 17,1 567-571; A. Behrmann, Das Nilpferd in der Vorstellungswelt der Alten Ägypter, 1996; S. Obermaier: Antike Irrtümer und ihre mittelalterlichen Folgen: Das Flusspferd, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 21 (2011), 135-179, hier 135-137.

Sabine Obermaier

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Flusspferd – B.2 Bibel und Bibelexegese

Das Flusspferd kommt in der Bibel nicht vor. Im Hexaemeron des Ambrosius werden aber die equi fluviales quos hippopotamos vocant (5,1,7) gemeinsam mit den Seehunden (phocae) und den → Krokodilen (crocodili) als Beispiele für Amphibien genannt, die am fünften Tag erschaffen werden. Auf diese Stelle rekurriert auch Petrus Abaelardus in seiner Expositio in Hexaemeron (PL 178, Sp. 756Af.). An anderer Stelle erwähnt Walahfridus Strabo zur näheren Erläuterung des griechischen Wortes ποταμὸς das Flusspferd in seinem Genesis-Kommentar: hinc hippopotamus id est, fluvialis equus (PL 113, Sp. 145D), im gleichen Kontext auch bei Remigius von Auxerre (PL 131, Sp. 101A). Die Identifizierung Behemoths (Job, 40, 15-24) mit dem Flusspferd findet sich erst 1663 in Samuel Bochorts Hierozoicon sive bipartitum opus de animalibus sacrae scripturae.

Ausg.: Ambrosius Mediolanensis: Hexaemeron, ed. C. Schenkl, CSEL 32,1; Petrus Abaelardus: Expositio in Hexaemeron, ed. M. Romig, D.E. Luscombe, C.. Burnett, CCCM 15; Walahfridus Strabo: Liber Genesis, PL 113, ed. Migne; Remigius von Auxerre: Commentarius in Genesim, ed. E. Van Name, CCCM 136; Samuel Bochort: Hierozoicon sive bipartitum opus de animalibus sacrae scripturae, 1663.

Lit.: E. Ruprecht: Das Nilpferd im Hiobbuch, Vetus Testamentum 21 (1971), 209-231; C. Steel: Animaux de la bible et animaux d’Aristote. Thomas d’Aquin sur Béhémoth l’éléphant, in: Aristotle’s animals in the Middle Ages and Renaissance, Leuven 1999, 11-30.

Sabine Obermaier

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