PANTHER – Lateinische Literatur

Panther – C. – II.2 Tierkunde

Der Panther wird in den meisten Quellen als ein buntes Tier beschrieben, dessen Fell von kleinen, augenähnlichen, verschiedenfarbigen Flecken gekennzeichnet sei [Isidor von Sevilla, Etymologien 12, 8-9 (= IS); Alexander Neckam, De naturis rerum 2, 133 (= AN); Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum 18, 80 (= BA); Thomas von Cantimpré, Liber de natura rerum 4,87,1 ff. (= TC)]. Jene Flecken werden beinahe immer als gelb, rot, schwarz und weiß beschrieben.
In Bezug auf die Wesensart und das Temperament des Tiers widersprechen sich die Aussagen, die in mittelalterlichen Enzyklopädien zu finden sind, zum Teil. Häufig ist zu lesen, beim Panther handle es sich um ein wildes, gefährliches Tier, das andere Tiere zerfleische. Gleichzeitig lässt sich in Isidors Etymologien eine Pseudoetymologie finden, die diesen Angaben zunächst entgegen zu stehen scheint. Isidor erläutert nämlich, der Grund für die Benennung des Tiers mit ‘Pantherʼ sei darin zu sehen, dass das Tier mit allen anderen Tieren befreundet sei. Die einzige Ausnahme stelle der Drache dar, denn Panther und Drache seien verfeindet. Diese Angaben Isidors werden von mehreren mittelalterlichen Autoren tradiert [Rabanus Maurus, De rerum naturis 8, 1 (= RM); Hildegard von Bingen, Physica 7, 7 (= HB); Vinzenz von Beauvais, Speculum naturale 19,99 (=VB); BA; TC)]. Ebenfalls tradiert wird die Erzählung von der in Not geratenen Panthermutter, die bereits in Pliniusʼ NH zu finden ist (VB; BA; → B. 1). Darüber hinaus werden auch Informationen über die äußeren Merkmale des Panthers aus antiken Quellen übernommen. So avanciert etwa der furchteinflößende Panther-Kopf zum Gegenstand der Ausführungen (AN; BA; TC) und auch der mondförmige Fleck, der auf der Schulter des Tiers zu sehen sei, ist mittelalterlichen Autoren bekannt (VB; Albertus Magnus, De animalibus 22, 90 (=AM); TC). Darüber hinaus wird die große Schönheit des Tiers betont (BA). In Alexander Neckams De naturis rerum 2, 133 werden außerdem Angaben dazu gemacht, wie der Panthers religiös-heilsgeschichtlich zu deuten ist. Der furchteinflößende Panther-Kopf wird hierbei als eine Allegorie auf das Leben im Inklusorium verstanden. Da dieses eine strenge Disziplinierungsmaßnahme darstelle, wolle man Novizen zu Beginn nicht damit verschrecken. Ebenso wie der Panther die anderen Tiere nicht direkt mit seinem Kopf konfrontiere, finde zunächst keine Konfrontation der Novizen mit der Maßnahme des Inklusoriums statt. Das wohl wichtigste Panther-Merkmal, der gute Duft, wird vornehmlich als Köder dargestellt, der dazu diene, Beute anzulocken (AN; VB; BA; TC). Während dem süßen Atem in den verschiedenen Physiologus-Versionen heilsgeschichtliche Exegese widerfährt, ist dies in den lateinischsprachigen enzyklopädischen Quellen nicht der Fall.
Auch der Genderaspekt, dem bereits in antiken Quellen Beachtung zukommt, wird thematisiert. Diesbezüglich wird von den meisten Autoren die einmalige Gebärfähigkeit der Pantherin (IS; RM; AN; VB; BA; TC) betont. Vinzenz von Beauvais erwähnt zudem, das Pantherweibchen besitze vier Zitzen am Bauch ‒ eine Information, die schon in Aristotelesʼ HA genannt wird (HA 2, 500a 28; → B. 1).
Auch über die Ernährung des Tiers lassen sich Informationen finden. In den meisten Quellen wird der Panther als carnivores Tier beschrieben, das von seiner Jagdbeute lebt (BA; TC). Hildegard von Bingen erklärt in ihrer Physica zudem, dass die Nahrung des Panthers nicht in allen Fällen rein sei. Möglicherweise basiert diese Aussage auf der antiken Vorstellung von der Pantherfalle (→ B. 1), die in Hildegards Werk zwar nicht explizit erwähnt wird, jedoch von Alexander Neckam und Vinzenz von Beauvais beschrieben wird. In Bezug auf die Herkunft des Panthers wird gesagt, er sei in Afrika (VB), Hyrkanien (AN; VB) und Syrien (VB) beheimatet.

Ausg.: Albertus Magnus: De animalibus, ed. H. Stadler, 1916-1920; Alexander Neckam: De naturis rerum libri duo, ed. T. Wright, 1863; Bartholomaeus Anglicus: De rerum proprietatibus, 1601, ND 1964; Hildegard von Bingen: Heilsame Schöpfung ‒ Die natürliche Wirkkraft der Dinge. Physica. Vollständig neu übersetzt und eingeleitet von Ortrun Riha, ed. Abtei St. Hildegard, 2012; Hrabanus Maurus: De rerum naturis, ed. J. P. Migne, 1852; Isidorus: Etymologiarum sive Originum libri XX, ed. W. M. Lindsay; Thomas von Cantimpré: Liber de natura rerum, ed. H. Boese, 1973; Vinzenz von Beauvais, Speculum naturale 1624, ND 1964.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

PANTHER – Lateinische Literatur

I. Terminologisches

 

II. Tierallegorese und Tierkunde

1. Physiologus, Bestiarien
2. Tierkunde
3. Gebrauchsschrifttum

 

III. Tierdichtung

1. Fabel
2. Tierepos

 

IV. Literatur

1. Narrative Texte
2. Lyrische Texte
3. Diskursive Texte
(4. Dramatische Texte)

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