Elefant – E.4 – IV.1 Narrative Texte

Großepik: Der Elefant tritt erwartungsgemäß in Textgattungen auf, die den Orient zum Schauplatz haben: im Alexanderroman, in der Kreuzzugsepik (Wolframs Willehalm, Rennewart Ulrichs von Türheim), in der märchenhaften Spielmannsepik (Ortnit, Wolfdietrich), in der späten Gralsepik (Albrechts Jüngerer Titurel), aber auch gelegentlich im zur Phantastik neigenden späthöfischen Artusroman (Ulrichs von Zatzikhofen Lanzelet, Strickers Daniel von dem blühenden Tal, Wirnts von Gravenberg Wigalois) sowie im Feenroman Partonopier und Meliur Konrads von Würzburg. Oft wird der Elefant einfach nur als Orient-Signum erwähnt (Ulrich von Etzenbach, Alexander 4543; Albrecht, Jüngerer Titurel, Strr. 4816f., Str. 6189; Stricker, Daniel 585-625 [mit ausführlicher Beschreibung]). Er dient den orientalischen Helden sowie den Orient-Eroberern – neben → Kamelen und → Pferden – als Reittier (Ulrich von Etzenbach, Alexander 12862, 13073, 19650; Wigalois 9068, 9071; im Wigalois auch als Reittier für Damen: 10348, 10512, 11424) und als Lasttier (Ulrich von Etzenbach, Alexander 21442, Albrecht, Jüngerer Titurel 3262,3; 4460,1; 4678,4; Stricker, Daniel 6500, 8211; Wigalois 10687, 11461; Johann von Würzburg, Wilhelm von Österreich 15741), einmal auch als außergewöhnliche Jagdbeute (Ulrich von Zatzikhofen, Lanzelet 3997). Er ist auch ein außergewöhnliches orientalisches Kriegsinstrument (Ulrich von Etzenbach, Alexander 7297; 12337; Wigalois 10828, 10833, 10982) und kann auch als Wappentier erscheinen (Konrad von Würzburg, Trojanerkrieg 31526 [Troilus]; Wolfdietrich 512,3 [Ortnit]; Wigalois 10484). Elefanten werden auch in großer Zahl gern als Unterwerfungsgabe (Rudolf von Ems, Alexander 13463; Ulrich von Etzenbach, Alexander 23535; Wolfram von Eschenbach, Willehalm 79,16, 203,23) oder überhaupt als Geschenk (Ortnit 511,4, 516,3; Konrad von Würzburg, Partonopier 4140) angeboten. Auch wird die Größe und Stärke des Elefanten gern als Vergleichsmaßstab gewählt (Rudolf von Ems, Alexander 2119 [für Bukephalos]), Ulrich von Etzenbach, Alexander 21679 [für ein unbeschreibliches Wundertier]). Zeuge eines Kampfes zwischen einem Elefant und einem Drachen wird Ortnit im Wolfdietrich. Für seine Hilfe bleibt das dankbare Tier bei Ortnit (eine deutliche Allusion auf Iweins → Löwe). Ortnit kann aber kurz darauf dem erneut vom → Drachen angegriffenen Elefant nicht helfen, weil niemand den Eingeschlafen zu wecken vermag (Wolfdietrich B 512,2-525,1). Besonderes Wissen um Elefanten hat Alexander: Im Straßburger Alexander wendet Alexander gegen die Kriegselefanten des Porus eine Taktik an (4386-4443), die mehr Wissen über Elefanten verrät, als der Erzähler zuvor an für das Mittelalter übliche Elefantenwissen vermittelt (4327-4385). Diese Episode deutet Alexander als Anti-Eleazar (1 Mcc6, 43-47), die Elefanten werden zum Sinnbild des fürstlichen Hochmuts. Dagegen legt der Basler Alexander das Gewicht nicht auf die List, sondern auf die Strategie: Alexander fügt den Elefanten dort Schmerz zu, wo sie nicht etwa am empfindlichsten, sondern am stärksten sind (3041-3052). Bei Ulrich von Etzenbach, im Großen Alexander und bei Johannes Hartlieb wird Alexanders Elefantenwissen wieder an das zurückgebunden, was ›man‹ über Elefanten weiß: Alexander trifft den Elefant des Aristêmonês von Cretes an seiner empfindlichsten Stelle, dem Nabel (Ulrich von Etzenbach, Alexander 13106-13116). Vor den Elefanten des Porus warnt Alexander seine Soldaten und unterrichtet sie, wie sie sie bezwingen können: Man zerhaut ihnen (wie Riesen) die Beine, damit sie umfallen (ibid. 19890-19910; 19966-19970). Im Großen Alexander werden die Elefanten mit Tapferkeit besiegt (3202-3248), bei Johannes Hartlieb interessiert Alexanders List rein waffentechnisch (3374-3386).

Ausg.: Wolfram von Eschenbach: Willehalm, ed. W. SCHRÖDER, 2003; Ulrich von Türheim: Rennewart, ed. A. HÜBNER, 1938; Ortnit und die Wolfdietriche, ed. A. AMELUNG, 21968; Albrecht: Jüngerer Titurel, ed. W.WOLF/K. NYHOLM, 1955-95; Ulrich von Zatzikhofen: Lanzelet, ed. F. KRAGL, 2009; Stricker: Daniel von dem blühenden Tal, ed. M. RESLER, 1983; Wirnt von Gravenberg: Wigalois, ed. J. M. N. KAPTEYN/S. SEELBACH, 2005; Konrad von Würzburg: Partonopier, ed. K. BARTSCH, 1970; Johann von Würzburg: Wilhelm von Österreich, ed. E. REGEL, 1906; Pfaffe Lambrecht: Alexander [= Straßburger Alexander], ed. E. LIENERT, 2007; Basler Alexander, ed. R. M. WERNER, 1881; Ulrich von Eschenbach [recte: Etzenbach]: Alexander, ed. W. TOISCHER, Reprint 1974; Rudolf von Ems: Alexander, ed. V. JUNK, 1928f.; Johannes Hartlieb: Alexander, ed. R. PAWIS, 1991.

Lit.: A. T. HATTO: The Elephants in the Straßburg Alexander, in: The Medieval Alexander Legend and Romance Epic, 1982, 85-105; K. LASSACHER: Der Elefant in der mittelalterlichen Literatur, 1988 [masch.], 34-45; S. OBERMAIER: Alexander und die Elefanten, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 18 (2008), 77-100.

Sabine Obermaier

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