Eine mit Gold tauschierte Tierfigur auf einer völkerwanderungszeitlichen Lanzenspitze aus dem Kriegsbeuteopfermoor von Nydam könnte als Wolf anzusprechen sein. Der Befund ließe sich dann mit literarisch überlieferten Waffennamen wie Verúlfr oder Vargr verknüpfen. Der Fenrirmythos ist bereits durch die nordischen Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit bezeugt. Auf dem Brakteaten von Trollhättan (IK 190) ist der Gott Týr zu sehen, der seine Hand in das Wolfsmaul legt. Auch auf den Brakteaten von Hamburg (IK 71) und Skrydstrup (IK 166) erscheint der Dämon in Wolfsgestalt. Daneben tritt er im Bildprogramm der Goldbrakteaten auch als Nordversion des antiken Ketos auf. So etwa auf dem Brakteat von Ulvsunda (IK 195), wo er als Seeungeheuer von Óðinn bezwungen wird oder auf dem Brakteaten von Hohenmemmingen (IK 278), wo er in einer stark simplifizierten Form erscheint und den Göttervater verschlingt. Die Ketosvariante des Fenriswolfes ist auch auf dem gotländischen Bildstein Hangvar Austers I aus der Zeit zwischen 400 und 600 n. Chr. zu sehen. Die Untierfesselungen auf einer Gruppe vendelzeitlicher Pressbleche und dem (runenlosen) Goldhorn von Gallehus sind weniger eindeutig zu bestimmen. Auf dem wikingerzeitlichen Bildstein von Sockburn in Northumbria ist Týrs Handpfand dargestellt. Die schlecht bewahrte Fesselungsszene auf dem Steinkreuzfragment von Ovingham (Northumbria) ist ebenfalls zu den Fenrir-Darstellungen gerechnet worden. Das Hochkreuz von Gosforth in Cumbria zeigt die Überwindung Fenrirs durch Víðarr. Auf dem ebenfalls wikingischen Kreuzstein von Kirk Andreas auf der Isle of Man ist Göttervater Óðinn zu sehen, der mit seinem Speer Gungnir in der Hand und einem seiner Raben auf der Schulter vom Wolf verschlungen wird. Insbesondere auf den spätwikingerzeitlichen Runensteinen taucht ein stilisiertes Raubtier (»das große Tier«) auf, dessen Läufe mitunter gefesselt sind. Es dürfte sich um den gebannten Fenriswolf handeln. Auf dem Runenstein von Ledberg scheint dieses Raubtier eine anthropomorphe Gestalt – vermutlich Óðinn – zu verschlingen. Der spätwikingerzeitliche Bildstein von Hunnestad in Schonen zeigt die Riesin Hyrrokkin, die mit Schlangenzügeln in der Hand einen Wolf reitet. Auf dem vendelzeitlichen Pressblechmodel von Torslunda auf Öland und den Blechen von Obrigheim und Gutenstein sowie den Goldhörnern von Gallehus sind menschliche Krieger mit Wolfsköpfen oder Wolfsmasken dargestellt. Sie werden mit den Úlfheðnar in Verbindung gebracht. In der germanischen Tierornamentik (insbesondere im Stil II) tauchen mitunter raubtierähnliche Figuren auf, die als Wölfe angesprochen werden könnten. Nicht selten sind sie mit weiteren symbolträchtigen Tieren (→ Eber, → Adler/ → Rabe, → Schlange) verbunden. Eine exakte zoologische Bestimmung von Vierfüßler- bzw. Canidendarstellungen ist häufig nicht möglich.
Lit.: K. HAUCK u. a.: Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit, Bd. I-III, 1985-1989; H. ROTH (ed.): Zum Problem der Deutung frühmittelalterlicher Bildinhalte, 1986; W. HEIZMANN: Fenriswolf, in: Mittelalter Mythen 2: Dämonen, Monster, Fabelwesen, 1999, 229- 255; S. OEHRL: Vierbeinerdarstellungen auf schwedischen Runensteinen. Studien zur nordgermanischen Tier- und Fesselungsikonographie. Ergänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (in Druckvorbereitung).
Sigmund Oehrl