Die Schwalbe bzw. das Schwälbchen kommt in der Lyrik der Trouvères anders als viele andere Vögel nur im Ausnahmefall vor. Sie wird dann als ein Singvogel unter anderen gelistet, also ungeachtet der Proprietäten, die ihr diverse Bestiarien zuweisen. So in folgender anonymen Kanzone, die – ganz topisch – die Klangkulisse der Vogelgesänge gegen das eigene Seufzen absetzt: Lors quant l’alouelle / et la quaille crie, / chante l’arondelle,/ la rose est florie,/ lais! […] (RS 587 I,1-5). In einem Lied von Moniot de Paris wird ihr die Funktion eines Boten zugewiesen (verspieltes Äquivalent zu dem Envoi, der viele Lieder des hohen Mittelalters abschließt). Ein Sänger-Ich sendet hier die Schwalbe an einen Ort, wohin es sich selbst angeblich nicht zu gehen wagt: Vole mi, arondele, / la blondete saluer / a qui touz mi penser sont! / he las! je n’i os aler, / s’en souspir de cuer parfont. /di li qu’a li tout me rent; / je suis seins si ligement / tout mon cuer li ai doné. / li doriaus, va li dorele, / li doriaus, va li doré (RS 1975 I). Der Refrain dieses Liedes (Li doriaus, va li dorele, / Li doriaus, va li doré, I-V,9-10) ist asemantisch und lässt sich deshalb weder ins Deutsche noch überhaupt ins Sprach-Semantische übersetzen. Einzelne Worte sind zwar semisemantisch, das heißt, sie stellen abgewandelte Formen bekannter Worte dar, aber ›verstehen‹ kann man die Zeilen nicht ganz. Dorele reimt sich mit dem Botenvogel arondele. Insgesamt stecken die spielerischen Silben voller ›Anklänge‹ und zeigen, dass es auch hier – anders als in der tierbestimmten Literatur vorwiegend um den Klang von Schwalbengesang geht.
Ausg: Festschrift Hofmann, ed. seine Schüler, 1890, 501; Moniot d’Arras/Moniot de Paris: Chansons et Étude historique, ed. P. DYGGVE, 1938, S. 203.
Eva-Maria Hochkirchen