Indien gilt als das wichtigstes Herkunftsland des Papageis (IS 12, 7, 24; HM 8, 7; AN 1, 38; VB 26, 135; AM 23, 138; TC 5, 109;). Das Tier wird meist als ‘grün mit rotem Halsband’ beschrieben. Es ist daher anzunehmen, dass der Halsbandsittich (psittacus krameri) als ‘prototypischer Papagei’ wahrgenommen wurde. Die Härte des Papageien-Schnabels scheint für mittelalterliche Gelehrte eine wichtigere Rolle gespielt zu haben als dessen gekrümmte Form (AN I, 38; VB; AM; TC).
Als Heimat des Papageis wird neben Indien auch der Berg Gelbœ genannt, auf dem es nur äußerst selten regne. Der Vogel vertrage nämlich kein Wasser oder sterbe sogar, wenn er damit in Berührung komme (AN I, 36; VB; TC). Die bereits von Aristoteles in der HA getätigte Aussage, der Papagei trinke gerne Wein und werde davon ausgelassen, findet zum Teil in mittelalterlichen Enzyklopädien Erwähnung (VB; TC) – ebenso wie die Zuneigung, die der Vogel angeblich jungen Damen entgegenbringt (VB). Darüber hinaus wird auch die Zuneigung genannt, die der Vogel für sein eigenes Spiegelbild empfinde (AN I, 36; VB).
Die Enzyklopädien berichten von der breiten Papageien-Zunge, die es dem Tier ermögliche, wie ein Mensch zu sprechen (IS; RM; AN I, 36; VB; AM; TC). Der Vogel beherrsche die menschliche Sprache sogar so gut, dass man – wenn man ihn nicht sähe – den Eindruck gewinnen könne, ein Mensch spreche gerade. In den ersten Lebensjahren seien die größten Sprachlernerfolge zu erzielen und es sei förderlich, dem Tier mit einer kleinen Eisenstange Schläge auf den Kopf zu verpassen (AN I, 38; VB; AM; TC, vgl. Apuleius, Florida 12,3).
Alexander Neckam entwickelt zudem eine Pseudo-Etymologie des Namens papagabio (AN I, 36). Gemäß dieser Etymologie handelt es sich beim Papagei um den edelsten gabio, wobei das Wort gabio (so mündlich D. Berrens) im Lateinischen nicht existiert und augenscheinlich eine Erfindung des Autors darstellt. Neckam erklärt zudem, der Papageienkäfig dürfe nicht aus Holz gefertigt sein, da andernfalls die Gefahr einer Zerstörung durch den Schnabel des Tiers bestehe. Im Rahmen verschiedener Anekdoten werden zudem die Klugheit, Gerissenheit und Verschlagenheit des Papageis narrativ entfaltet (AN I, 37; TC). Gelegentlich finden sich allegorische Deutungen (HM, AN, BA, Randnoten).
Ausg.: Albertus Magnus: De animalibus, Bd. II, ed. H. Stadler, 1920; Alexander Neckam: De naturis rerum libri duo, ed. T. Wright, 1863; Hrabanus Maurus: De rerum naturis, ed. J. P. Migne, 1852; Isidorus: Etymologiarum sive Originum libri XX, ed. W. M. Lindsay; Thomas von Cantimpré: Liber de natura rerum, ed. H. Boese, 1973; Vinzenz von Beauvais, Speculum naturale 1624, ND 1964.
Lit.: B. T. Boehrer: Parrot Culture. Our 2500-Year-Long Fascination with the World’s Most Talkative Bird, 2004, 27-29; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017; B. Ribémont: Histoires de perroquets: petit itinéraire zoologique et poétique, in: Reinardus 3 (1990), 163-166.
Stephanie Mühlenfeld