Im deutschen Tierepos kommt der Kranich nicht als handelnde Figur auf der Ebene des eigentlichen Geschehens vor, sondern wird als Protagonist der Fabel vom Kranich und → Wolf (DICKE/GRUBMÜLLER, Nr. 631) durch andere Figuren narrativ integriert. Im Reynke de vos (III,11) ist diese Fabel Teil des Bildprogramms, das den Spiegel geschmückt haben soll, den der → Fuchs dem Königspaar geschickt haben will; Reynke will damit den → Wolf Isegrim, einen seiner Gegner im anhängigen Gerichtsverfahren, als Inkarnation der Undankbarkeit diskreditieren.
Dieselbe Fabel erzählt Reinick im Froschmeuseler (I,5639-5652) Georg Rollenhagens im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren zwischen dem Bauern und der → Schlange, um diese zur Verschonung des Bauern zu bewegen. Im Nachhinein erweist sich diese Fabel aber wieder nur als weiteres Exemplum für die These, dass Undank der Welt Lohn ist.
Ausg.: Georg Rollenhagen: Froschmeuseler, ed. D. PEIL, 1989.
Lit.: G. DICKE/K. GRUBMÜLLER: Katalog der Fabeln des Mittelalters und der frühen Neuzeit, 1987; D. PEIL: Der Einfluß des Reynke de vos auf Georg Rollenhagens Froschmeuseler (1595), Reinardus 5 (1992), 157-169.
Dietmar Peil
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