Flusspferd – B.1 Antike Zoologie

Erste Erwähnung findet das Flusspferd bei Hekataios von Milet (ca. 560-485/75 v. Chr), auf dessen verloren gegangenen Bericht Herodot in seinen Historien (5. Jh. v. Chr.) zurückgreift. Von Herodot (2,71) übernimmt Aristoteles, der das Tier offenbar auch nicht aus eigener Anschauung kennt, seine für spätere naturkundliche Enzyklopädien maßgebliche, jedoch mit Irrtümern behaftete Beschreibung (HA 502a,9-15). Nach Aristoteles hat das Tier eine Stimme und eine Mähne wie ein → Pferd (erst Diodorus, I, 35, erwähnt die Pferdemähne nicht mehr), eine dem Pferd bzw. → Esel vergleichbare Anatomie, zweigespaltene Klauen wie ein → Rind (s. a. 409b,10), einen Schwanz und Hauer wie ein Schwein (bei Herodot noch einen Pferdeschweif), die Größe eines Esels und eine undurchdringliche Haut; einzig die Hauerzähne und die dicke Haut finden eine Entsprechung beim realen Tier. Für Aristoteles gehört das Tier zu den luftatmenden Landtieren, die nicht getrennt vom Wasser leben können (HA 589a,28). Offenbar durch den Namen in die Irre geführt, beschreibt Aristoteles auch, dass das Flusspferd wie das Pferd die Wasserstelle mit den Hufen aufrühre, damit das Wasser trüb werde (HA 605a,13). Plinius übernimmt die aristotelische Beschreibung weitgehend (NH 8,95f.), relativiert die Gefährlichkeit der Hauer und ergänzt die Beschreibung um weitere Details wie z.B. die Geburt im Nil und die Verwendung der Haut für die Herstellung von Schilden und Helmen). Plinius beschreibt zudem, wie das Flusspferd, wenn es Getreidefelder abweidet, mit seinen Spuren verfährt, damit man ihm nicht nachstellen kann, und wie es sich bei Übersättigung mit einem Aderlass behilft (NH 8,96). Überdies erwähnt Plinius den römischen Ädil M. Scaurus, der bei den von ihm veranstalteten Spielen als erster ein Flusspferd und fünf ¬ Krokodile in einem eigens dafür gegrabenen Wasserbecken zeigte (NH 8,96, vgl. Solinus 32,31). Über Solinus (32,30) kommt die Beschreibung des Plinius an Isidor und ins Mittelalter.

Ausg.: Aristoteles: Tierkunde, übers. P. Gohlke, 21957; Herodot: Historien, gr.-dt. ed. J. Feix, 72006; C. Plinius Secundus: Naturalis historia, lat.-dt. ed. R. König / G. Winkler, Bd. 8, 2007; C. Iulius Solinus: Collectanea rerum memorabilium, ed. Th. Mommsen, 1895, ND Berlin 1958.

Lit.: O. Keller: Antike Tierwelt I, 1909, 406f.; A. Steier, Nilpferd, RE1 17,1 567-571; A. Behrmann, Das Nilpferd in der Vorstellungswelt der Alten Ägypter, 1996; S. Obermaier: Antike Irrtümer und ihre mittelalterlichen Folgen: Das Flusspferd, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 21 (2011), 135-179, hier 135-137.

Sabine Obermaier

Zurück zu "Flusspferd" | Zurück zu "A. Das reale Tier" | Weiter zu "B.2 Bibel und Bibelexegese"