Flusspferd – C. – IV.1 Narrative Texte

Hagiographie: Das Flusspferd kommt nur in wenigen Legenden vor: Dominic Alexander erwähnt die Legende De Beno aus der Historia Monachorum des Rufinus (4, 408), worin der Heilige auf Geheiß der Bauern dem Tier befiehlt, sich zu entfernen. In den Acta Sanctorum ergab die elektronische Suche ebenfalls nur einen Treffer, die Legende des Hl. Fabianus (allerdings ist das Flusspferd durch die extrem ungeregelte Schreibung seines Namens auch schwer zu suchen).

Lit.: D. Alexander: Saints and Animals in the Middle Ages, Woodbridge 2008, 32f. (mit Anm. 61)

Epik: Flusspferde gehören in der Tradition des Alexander-Romans als eine der ‚Gefahren des Wassers‘ und der tiergestaltigen ‚Plagen‘ zu den ‚Wundern des Ostens‘. Bereits bei Pseudo-Kallisthenes (300 n. Chr.) wird erzählt, wie ein Trupp Flusspferde Alexanders Männer beim Überqueren eines Flusses angreift (S. 61). Iulius Valerius Maximus (3,17) lässt die Tiere zweimal angreifen, und bei Leo von Neapel (3,17) werden die Tiere – vermutlich nach dem Vorbild der Epistola Alexandri ad Aristotelem (B 25,39-26,3; an anderer Stelle wird hier das Flusspferd als ein kentaurartiges Hybridwesen beschrieben, das halb Mensch, halb Pferd ist, B 25,34-36, vgl. Hugo von St. Victor, Descriptione mappae mundi 15,387, ed. P. Gautier Dalché) – zu menschenfressenden Ungeheuern monstrifiziert. In dieser Form findet die Episode Eingang in die verschiedenen Rezensionen der Historia de preliis (Hdp § 86, J1 11. Jh., J2 spätestens im 12. Jh. und J3 zwischen 1185 und 1236), die aus anderen Quellen noch zwei weitere Flusspferd-Episoden integriert: Im östlichen Indien begegnet Alexanders Heer einer in einem Sumpf lebenden bestia ganz eigener Art (Hdp § 92): Dieses flusspferd-ähnliche Untier (similis ippotamo) hat die Brust eines → Krokodils, einen Rückenkamm wie die Serra, sehr kräftige Zähne; es bewegt sich langsam wie eine → Schildkröte, tötet jedoch zwei Soldaten, bevor es selbst mit eisernen Hämmern zur Strecke gebracht wird (vgl. eqonilus bei TC → C.II.2). Im Kontext der Brahmanen-Episode hindern Flusspferde und andere Wassertiere Alexander und seine Männer an der Überquerung des Flusses (Hdp J1/J2 § 98), wohingegen die Brahmanen ihn ungehindert überqueren können: Der nur von einer Seite aus überquerbare Fluss wird hier zum Sinnbild dafür, dass Alexander die Welt der Brahmanen räumlich und geistig verschlossen bleibt. In Rezension J3 (§ 98) und bei Quilichinus de Spoleto (2235-2248) wird dagegen das Bild eines listenreichen Alexander gezeichnet, der ein spezielles Boten-Boot anfertigen lässt, so dass immerhin ein Vertreter des Makedonenkönigs zum Brahmanenkönig gelangen kann. Damit wird auch deutlich: Die von Flusspferden und anderen gefährlichen Wassertieren bewohnten Flüsse bilden auf dem Weg Alexanders stets nur punktuelle Begrenzungen für Alexanders Macht.

Ausg.: Der Alexanderroman mit einer Auswahl aus den verwandten Texten, übers. F. Pfister, 1978; Epistola Alexandri ad Aristotelem [Vulgatversion], ed. W. W. Boer, 1973; Epistola Alexandri ad Aristotelem [Bamberger Hs.] = Kleine Texte zum Alexanderroman, ed. F. Pfister, 1910; Iulius Valerius [Maximus]: Res Gestae Alexandri Macedonis, ed. M. Rosellini, 1993; Der Alexanderroman des Archipresbyters Leo, ed. F. Pfister, 1913; Historia Alexandri Magni (Historia de preliis). Rezension J1, ed. A. Hilka / K. Steffens, 1979; Historia Alexandri Magni (Historia de preliis). Rezension J2, ed. A. Hilka / H.-J. Bergmeister / R. Grossmann, 1976-1977; Die Historia de preliis Alexandri Magni. Rezension J3, ed. K. Steffens, 1975; Quilichinus de Spoleto: Historia Alexandri Magni, ed. W. Kirsch, 1971.

Lit.: S. Obermaier: Antike Irrtümer und ihre mittelalterlichen Folgen: Das Flusspferd, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 21 (2011), 135-179, hier 145-147, 155-163.

Sabine Obermaier

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