Schwein – B.2 Bibel und Bibelexegese

Aper: Ps 79,14: exterminavit eam (vineam) aper de silva, et singularis ferus depastus est eam. Dies ist der einzige Bibelvers, der den Eber nennt. Die patristische und frühmittelalterliche Auslegungstradition (Augustinus, Enarratio in Ps. 79; Cassiodor, Expositio in Psalmum 79,14 l. 230A., Isidor, Etym., 12.1, 27) ist zusammengefasst in Hrabanus Maurus, De rerum naturis (De universo libri 22,7, PL 111, col. 207 A): »Die Bezeichnung aper erklärt sich aus seiner Wildheit (feritate) wobei das f durch ein p ersetzt wurde […]. Andere sagen, dass der Name daher rührt, dass er in rauen Gegenden (locis asperis, Varro ling. 5,101) zu weilen pflegt. Der Wildeber verweist auf die ungestüme Angriffslust der Fürsten dieser Welt […].« Zugrunde gerichtet (exterminavit) hat er, indem er von Grund and Boden (extra terminos) vertrieb and überall hin zerstreute, was sich ja beim Volk der Juden tatsächlich ereignet hat. Vielleicht müssen wir unter dem Wildeber Vespasian verstehen, der ja in der Tat für die Juden von furchterregender Wildheit war. Durch diesen Tiernamen aber verweist der Psalmist auf etwas, was den Juden zuwider ist, denn dieses Tier scheint unter anderem charakterisiert durch die wilde Unordnung der Wälder, eine Eigenschaft, die in sich wiederum an die Heiden erinnert, die zu Recht mit rauen, unwirtlichen Wäldern verglichen werden, da ihnen bis jetzt noch kein fruchtbarer Same eingepflanzt wurde. Der wilde Einzelgänger aber erinnert an Titus, den Sohn Vespasians, der die Reste des jüdischen Volkes mit solch verheerender Gewalt hinwegraffte, dass es scheinen mußte, als ob er Volk and Stadt wie Futtergras verschlang. Es war jedoch unvermeidlich, dass dies mit dem Weinberg geschah, denn seine Ummauerung war offenbar niedergebrochen. Wenn man schließlich den Wildeber spirituell deutet, dann kann man wegen seiner ungestümen Wildheit und seiner übergroßen Kraft hier ein Bild des Teufels erkennen.

Sus/porcus: Lev 11,7; Dtn 14,8: sus… quoniam dividit ungulam et non ruminat immunda erit; Is 65,4 qui comedunt carnem suillam; Prov 11,22: circulus aureus in naribus suis, mulier pulchra et fatua; Mc 5, 12f; Mt 8,31; Lc 8,23: mitte nos in gregem porcorum; Lc 15,15f: et misit illum in villam suam ut pasceret porcos; Mt 7,6: ne mittatis margaritas vestras ante porcos; 2 Petr 2,22: Sus lota (revertitur) in volutabro luti. Auch hier die Zusammenfassung der patristischen Auslegung nach Hrabanus De rerum naturis (De universo libri 22,7, PL 111, col. 206 Af.): Die Bezeichnung sus leitet sich von der Gewohnheit her, bei der Nahrungssuche den Boden aufzuwühlen (terra subacta escas inquirit). Der Hauseber (verres) heißt so nach seinen großen Kräften (grandes vires). Porcus leitet sich von spurcus (= unflätig, schmutzig) her… Die Schweine sind ein Bild für die Sünder, für Menschen von unreiner Denkungsart oder auch Häretiker, von denen es im Gesetz heißt: ›Weil sie Paarhufer sind und ihre Nahrung nicht wiederkäuen, soll ihr Fleisch von keinem wahren Gläubigen angerührt werden‹ (Dtn 14,8)… Mit den Schweinen werden auch bekehrte Sünder bezeichnet, die wieder nachlässig geworden sind und zu der Lebensweise zurückkehren, die sie gerade noch beweint hatten. So heißt es ja auch im Petrusbrief: ›Der Hund verschlingt sein Erbrochenes von neuem, and die gewaschene Sau wälzt sich wieder in der Suhle.‹ … Das Schwein verweist auch auf Menschen von unreiner and ausschweifender Lebensart. Im Evangelium heißt es: ›Wenn du uns austreiben willst, schicke uns in die Schweine‹ (Mt 8,31), und kurz zuvor: ›Werft eure Perlen nicht vor die Schweine‹ (Mt 7,6). In ähnlicher Weise bezeichnet das Schwein auch unreine Geister. Dazu das Wort des Evangeliums: ›Er schickte ihn (den Verlorenen Sohn) auf sein Landgut, dass er dort die Schweine hüte‹ (Lc 15,15). … Im Bild der Sau ist auch der Sünder zu sehen, der zwar die richtige Einsicht hat, jedoch ein ausschweifendes Leben führt, wie es ja auch bei Salomo heißt: ›Eine schöne, aber zuchtlose Frau ist wie ein Goldreif im Rüssel einer Sau‹ (Prov. 11,22).). Aufgrund seiner Unreinheit gilt das Schwein auch nicht für den Verzehr geeignet.

Lit.: F. C. Sillar/ R. M. Meyler: The Symbolic Pig, 1961; W. Schouwink: Der wilde Eber in Gottes Weinberg, 1985.

Wilfried Schouwink

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