Papagei – B.1 Antike Zoologie

Der griechische Arzt Ktesias schreibt über den Papagei, der Vogel sei von der Größe eines Falken, von grüner Farbe und besitze einen roten Halsring (FGrHist 688F45a8). Sowohl in der HA als auch in der NH findet sich die Information, das Tier lasse eine besondere Vorliebe für Wein erkennen (HA 8,12 597b 27–29; NH 10,117). Aristoteles thematisiert zudem die außergewöhnliche Zunge des Papageis, die es dem Vogel ermögliche, wie ein Mensch zu sprechen (ἀνθρωπόγλωττον).
Jene Sprachbegabung, sowie die indische Herkunft, das grüne Gefieder mit dem roten Halsband und die Härte des Kopfes und des Schnabels stellen proprietates dar, die auch in der NH Erwähnung finden (NH 10, 117). Plinius erklärt zudem, die Härte des Kopfes mache es notwendig, dem Tier im Rahmen seiner Sprachlern-Übungen gezielte Schläge mit einem kleinen Eisenstab zu verabreichen, um es zu konditionieren (NH 10, 117). Die genannten Eigenschaften finden sich auch bei Apuleius und Solinus wieder (Florida 12; Collectanea rerum mirabilium 52, 45).
Weiterhin thematisieren beide Autoren die Anzahl der Papageien-Zehen. Diejenigen Tiere, an deren Füßen jeweils fünf Zehen zu sehen seien, besäßen eine größere Begabung, die menschliche Sprache zu erlernen (Florida 12). Es sei empfehlenswert, den Vögeln den Sprachunterricht vor Vollendung des zweiten Lebensjahres zu erteilen, da sie in späteren Lebensphasen Vergesslichkeit aufwiesen. Ein positiver Einfluss auf das Sprachtraining wird der Fütterung mit Nüssen zugeschrieben (Florida 12).
Die Sprache und der Gesang des Tiers seien so menschenähnlich, dass der Eindruck entstehen könne, die Laute stammten tatsächlich von einem Menschen – vorausgesetzt, man sehe den Papagei nicht. Es existierten überhaupt nur zwei Möglichkeiten, ein Schweigen des Vogels zu erreichen: das Herausschneiden der Zunge oder die Freilassung (Apuleius, Florida 12). In den Saturnalien des Macrobius werden berufsmäßige Papageien-Trainer erwähnt, die man mit dem Sprachlern-Training der Tiere betraut habe (Saturnalien 2, 29-30).
Auch in Martials Epigramm 14, 73 findet der Papagei Erwähnung. Dort heißt es, der Vogel sei gewillt, von den Menschen die Namen der anderen zu lernen, zwei Worte habe sich das Tier jedoch selbst beigebracht, nämlich „Ave Caesar!“.
Aelian gibt Auskunft über das Ansehen, das der Papagei in seinem Herkunftsland Indien genieße (De natura animalium 13, 18). Ihm werde der höchste Platz in der Hierarchie aller Vögel zugedacht. Daher sei es in Indien ausgeschlossen, den Papagei als Speisetier zu nutzen. Weiterhin erklärt Aelian, Papageien könnten die menschliche Sprache wie Kinder erlernen. Freilebend ließen sie jedoch nur eine Vogelstimme erklingen, die nicht besonders angenehm anzuhören sei (De natura animalium 16, 2). Aelian beschreibt Papageien als gelehrige Vögel, die in Indien häufiger anzutreffen seien als in der Heimat (De natura animalium 16, 15). Es wird deutlich, dass Indien die Heimat verschiedener Papageienarten darstellt (De natura animalium 16, 2).

Ausg.: Claudius Aelianus: De natura animalium. Varia historia, Epistolae, Fragmenta, ed. R. Hercher, 1971; Apuleius Madaurensis: Florida, ed. R. Helm, 1993; Aristoteles: Historia animalium, ed. P. Gohlke, 1957; Ktesias von Knidos: Ctesias' Persian History, ed. J. P. Stronk, 2010; Macrobius Ambrosius Theodosius: Macrobii Ambrosii Theodosii Saturnalia, ed. R. A. Kaster, 2011; M. Valerius Martialis: Epigramme, ed. N. Holzberg, 2008; C. Plinius Secundus: Naturalis historia, ed. R. König/G. Winkler, 2007; C. Julius Solinus: Collectanea rerum mirabilium, ed. T. Mommsen, 1895, repr. 1958.

Lit.: B. T. Boehrer: Parrot Culture. Our 2500-Year-Long Fascination with the World’s Most Talkative Bird, 2004, 1-22; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017; B. Ribémont: Histoires de perroquets: petit itinéraire zoologique et poétique, in: Reinardus 3 (1990), 163-166.

Stephanie Mühlenfeld

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