Papagei

Papagei – E.4 – IV.1 Narrative Texte

Sowohl im Straßburger Alexander (V. 5110-5112) als auch im Basler Alexander (V. 3618f.) tauchen Papageien im Rahmen eines ‘Geschenke-Katalogs’ auf, der darüber informiert, welche Präsente Königin Candacis Alexander zukommen lässt. In Johann Hartliebs Prosafassung des Alexanderromans ist dieser Geschenke-Katalog zwar auch enthalten, hier ist jedoch lediglich von ‘zweihundert sprachbegabten Vögeln’ die Rede (Z. 3786f.), ohne dass eine genauere Bestimmung der Vogelart vorgenommen wird.
Im Tristan Gottfrieds von Straßburg findet sich ein Vergleich, der der blonden Isolde die Eigenschaften eines Papageis attestiert (V. 10995: gestreichet alse ein papegân). Der Vergleich steht innerhalb einer ganzen Reihe von (Raub-)Vogel-Vergleichen, denn Isolde wird ebenso mit einem Sperber und einem Falken in Verbindung gebracht. Das Adjektiv gestreichet kann hier mit ʻreinlich aufgeputzt’, ʻadrett’ übersetzt werden. Es betont also die fein herausgeputzte äußere Erscheinung, die Isolde und dem Papagei gemeinsam ist und die die innere Reinheit beider andeutet. Ein ähnlicher Vergleich lässt sich im Trojanerkrieg Konrads von Würzburg finden. Hier wird Helena von Troja mit einem siticus verglichen (V. 20297-20301).
Als sprechender Schönheitspreis, der lautstark seine Meinung kundtut, wird der Papagei im Wigalois Wirnts von Grafenberg in Szene gesetzt (V. 2514-2522; 2589-2594; 2766-2782). Darüber hinaus zieren Papageien die Haube im Helmbrecht Wernhers des Gartenære (V. 18f.). In dem nachklassischen Artusroman Daniel von dem blühenden Tal des Stricker findet der Papagei gleich fünfmal Erwähnung, wobei vier verschiedene Möglichkeiten der Nutzung des Vogels thematisiert werden. Da von seinem Gefieder ein starker Glanz ausgehe, könne man sich darin mindestens ebenso gut anschauen wie in einem Spiegel (V. 557). Außerdem sei es möglich, mit diesem Glanz in der Nacht eine ganze Kemenate zu erhellen (V. 569f.). Weiterhin könne das Tier als ‘Sonnenschirm’ dienen, wenn es über dem Haupt einer Dame herflöge (V. 562-564). Es verfüge auch über ein ganz vorzügliches Gesangstalent, von dem es Tag und Nacht Kostproben gebe (V. 571f.).

Ausg.: Johann Hartlieb: Alexander, ed. R. Pawis, 1991; Gottfried von Straßburg: Tristan, ed. R. Krohn, 2008; Konrad von Würzburg: Der Trojanische Krieg, ed. A. von Keller, 1858; Pfaffe Lambrecht: Alexanderroman, ed. E. Lienert, 2007; Pfaffe Lambrecht: Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander, ed. R. M. Werner, 1881; Der Stricker: Daniel von dem blühenden Tal, ed. M. Resler, 2015; Wernher der Gartenaere: Helmbrecht, ed. H. Brackert et al., 1972; Wirnt von Grafenberg: Wigalois, ed. J. M. N. Kapteyn, übers., erläutert und mit einem Nachwort versehen von S. Seelbach und U. Seelbach, 2014.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

 

Papagei – E.4 – I. Terminologisches

In mittelhochdeutschen und frühneuhochdeutschen Texten lassen sich zum einen die von psittacus abgeleiteten, eingedeutschten Formen sittekus (Konrad von Megenberg, BdN 3, B 63) und sittich (Arigo, Decameron von Heinrich Steinhöwel, 403, Z. 16; Reisebericht Hans Tuchers, 562, Z. 1-4) finden. Zum anderen existieren aber auch Benennungen wie papegan (Gottfried von Straßburg, Tristan, V. 10995), papageÿ (Reisebericht Hans Tuchers, 562, Z. 1-4), papagalli (Ludovico de Varthema, Die Ritterlich und lobwirdig rayß […], 91) und papegoge (Reisebericht Marco Polos, 377) sowie papigalvogel (Reisebericht Sebald Rieters, 145).
Die Varianten papune (Albrecht von Scharfenberg, Jüngerer Titurel, Str. 6112, 1) und Babiân (Stricker, Daniel von dem blühenden Tal, V. 550; 670; 3001; 6601; 8207) sind vermutlich von der Bezeichnung papegan abgeleitet und jeweils nur innerhalb eines einzigen Werks belegt.

Ausg.: Albrecht von Scharfenberg: Jüngerer Titurel, ed. K. A. Hahn, 1842, Arigo: Decameron von Heinrich Steinhöwel, ed. A. von Keller, 1860; Gottfried von Straßburg: Tristan, ed. F. Ranke, 1994; Konrad von Megenberg: Das Buch der Natur, ed. R. Luff / G. Steer, 2003; Ludovico de Varthema: Die Ritterlich und lobwirdig rayß […], 1515. Auf: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00011589/images. Zugriff am 02.01.2018 um 17:42 Uhr; Marco Polo: Die mitteldeutsche Bearbeitung des „Divisament dou monde“ nach der Adamonter Handschrift Cod. 504, ed. N. Steidl, 2010; Sebald Rieter (d. J.): Das Reisebuch der Familie Rieter, ed. R. Röhricht/H. Meisner, 1884; Hans Tucher: Die 'Reise ins Gelobte Land' Hans Tuchers des Älteren (1479-1480), ed. R. Herz, 2002.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – B.1 Antike Zoologie

Der griechische Arzt Ktesias schreibt über den Papagei, der Vogel sei von der Größe eines Falken, von grüner Farbe und besitze einen roten Halsring (FGrHist 688F45a8). Sowohl in der HA als auch in der NH findet sich die Information, das Tier lasse eine besondere Vorliebe für Wein erkennen (HA 8,12 597b 27–29; NH 10,117). Aristoteles thematisiert zudem die außergewöhnliche Zunge des Papageis, die es dem Vogel ermögliche, wie ein Mensch zu sprechen (ἀνθρωπόγλωττον).
Jene Sprachbegabung, sowie die indische Herkunft, das grüne Gefieder mit dem roten Halsband und die Härte des Kopfes und des Schnabels stellen proprietates dar, die auch in der NH Erwähnung finden (NH 10, 117). Plinius erklärt zudem, die Härte des Kopfes mache es notwendig, dem Tier im Rahmen seiner Sprachlern-Übungen gezielte Schläge mit einem kleinen Eisenstab zu verabreichen, um es zu konditionieren (NH 10, 117). Die genannten Eigenschaften finden sich auch bei Apuleius und Solinus wieder (Florida 12; Collectanea rerum mirabilium 52, 45).
Weiterhin thematisieren beide Autoren die Anzahl der Papageien-Zehen. Diejenigen Tiere, an deren Füßen jeweils fünf Zehen zu sehen seien, besäßen eine größere Begabung, die menschliche Sprache zu erlernen (Florida 12). Es sei empfehlenswert, den Vögeln den Sprachunterricht vor Vollendung des zweiten Lebensjahres zu erteilen, da sie in späteren Lebensphasen Vergesslichkeit aufwiesen. Ein positiver Einfluss auf das Sprachtraining wird der Fütterung mit Nüssen zugeschrieben (Florida 12).
Die Sprache und der Gesang des Tiers seien so menschenähnlich, dass der Eindruck entstehen könne, die Laute stammten tatsächlich von einem Menschen – vorausgesetzt, man sehe den Papagei nicht. Es existierten überhaupt nur zwei Möglichkeiten, ein Schweigen des Vogels zu erreichen: das Herausschneiden der Zunge oder die Freilassung (Apuleius, Florida 12). In den Saturnalien des Macrobius werden berufsmäßige Papageien-Trainer erwähnt, die man mit dem Sprachlern-Training der Tiere betraut habe (Saturnalien 2, 29-30).
Auch in Martials Epigramm 14, 73 findet der Papagei Erwähnung. Dort heißt es, der Vogel sei gewillt, von den Menschen die Namen der anderen zu lernen, zwei Worte habe sich das Tier jedoch selbst beigebracht, nämlich „Ave Caesar!“.
Aelian gibt Auskunft über das Ansehen, das der Papagei in seinem Herkunftsland Indien genieße (De natura animalium 13, 18). Ihm werde der höchste Platz in der Hierarchie aller Vögel zugedacht. Daher sei es in Indien ausgeschlossen, den Papagei als Speisetier zu nutzen. Weiterhin erklärt Aelian, Papageien könnten die menschliche Sprache wie Kinder erlernen. Freilebend ließen sie jedoch nur eine Vogelstimme erklingen, die nicht besonders angenehm anzuhören sei (De natura animalium 16, 2). Aelian beschreibt Papageien als gelehrige Vögel, die in Indien häufiger anzutreffen seien als in der Heimat (De natura animalium 16, 15). Es wird deutlich, dass Indien die Heimat verschiedener Papageienarten darstellt (De natura animalium 16, 2).

Ausg.: Claudius Aelianus: De natura animalium. Varia historia, Epistolae, Fragmenta, ed. R. Hercher, 1971; Apuleius Madaurensis: Florida, ed. R. Helm, 1993; Aristoteles: Historia animalium, ed. P. Gohlke, 1957; Ktesias von Knidos: Ctesias' Persian History, ed. J. P. Stronk, 2010; Macrobius Ambrosius Theodosius: Macrobii Ambrosii Theodosii Saturnalia, ed. R. A. Kaster, 2011; M. Valerius Martialis: Epigramme, ed. N. Holzberg, 2008; C. Plinius Secundus: Naturalis historia, ed. R. König/G. Winkler, 2007; C. Julius Solinus: Collectanea rerum mirabilium, ed. T. Mommsen, 1895, repr. 1958.

Lit.: B. T. Boehrer: Parrot Culture. Our 2500-Year-Long Fascination with the World’s Most Talkative Bird, 2004, 1-22; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017; B. Ribémont: Histoires de perroquets: petit itinéraire zoologique et poétique, in: Reinardus 3 (1990), 163-166.

Stephanie Mühlenfeld

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Papagei – E.4 – IV.3 Diskursive Texte

Auch in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reiseberichten findet der Papagei Erwähnung. Sowohl im Niederrheinischen Orientbericht, als auch in den Itineraren Hans Tuchers, Sebald Rieters, Felix Fabris, Konrads von Grünemberg und Hans Schiltbergers wird über Papageien berichtet. Darüber hinaus enthalten auch die deutschen Übertragungen der Reiseberichte Jean de Mandevilles, Marco Polos und Ludovico de Varthemas Informationen über das Tier. Zwar wird das Federkleid des Papageis auch hier, ebenso wie in den Enzyklopädien (→ C. II.2), oftmals als ʻgrün mit rotem Halsbandʼ beschrieben, es zeigt sich jedoch, dass auch schneeweiße Exemplare zunehmend wichtiger werden (Fabri, 375; De Varthema, 101). Des Weiteren werden bunte Papageien genannt, an denen sogar sieben verschiedene Farben zu bestaunen seien (De Varthema, 101). Die Beschreibungen des schneeweißen Gefieders auf der einen Seite sowie die der Farbvielfalt auf der anderen lassen die Außergewöhnlichkeit der Tiere erkennen. Zudem wird die Betonung oftmals auf ihre große Schönheit gelegt. Diese Informationen dürften der Rechtfertigung der exorbitant hohen Preise gedient haben, denn vor allem schneeweiße Exemplare konnten weit über 50 Dukaten kosten (Fabri, 375); dabei handelt es sich wahrscheinlich um den aus den Fernen Orient-Inseln importierten Kakadu. Dass nicht nur der Kauf eines Papageis teuer sein konnte, ist dem Itinerar Sebald Rieters zu entnehmen, denn der Autor macht Angaben zu den vergleichsweise hohen Zollabgaben, die in Ägypten pro Papagei zu entrichten gewesen seien (Rieter, 145).
Die tradierten Proprietäten ʻharter Kopf’, ʻharter Schnabel’, ʻbreite Zunge’ und ʻrotes Halsband’ sowie die ʻunterschiedliche Anzahl an Zehenʼ werden auch in den Reiseberichten genannt (→ B.1; → C. II.2). Zudem findet in Ludovico de Varthemas Bericht erstmals die Reis-Vorliebe des Vogels Erwähnung (De Varthema, 91). Diese mache das Tier zu einer ernstzunehmenden Gefahr für alle Reisfelder und habe zur Folge, dass man Papageien in Reisanbauregionen keine große Wertschätzung entgegenbringe.
Indien, Arabien und das Reich des Großkhans gelten als Herkunftsländer des Tiers. Außerdem wird eine ägyptische Insel namens Segetha genannt, auf der man die Vögel im September fange und sie anschließend zum Verkauf nach Kairo abtransportiere (Tucher 562, 1-4; Fabri, 350). Es wird angenommen, dass die Höhe des Lebensraumes entscheidend ist für die Größe und Schönheit der Papageien (Niederrheinischer Orientbericht, 78).

Ausg.: F. Fabri: EIgentlich beschreibung der hin vnnd wider farth zu dem Heyligen Landt gen Jerusalem […]. Auf: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0007/bsb00070765/images. Zugriff am 30.11.2017 um 16:43 Uhr; Konrad von Grünemberg: Konrad von Grünembergs Pilgerreise ins Heilige Land 1486, ed. A. Denke, 2011; Mandeville: Sir John Mandevilles Reisebeschreibung. In deutscher Übersetzung von Michael Velser. Nach der Stuttgarter Papierhs. Cod. HB V 86, ed. E. J. Morrall, 1974; Marco Polo: Die mitteldeutsche Bearbeitung des „Divisament dou monde“ nach der Adamonter Handschrift Cod. 504, ed. N. Steidl, 2010; Ein Niederrheinischer Bericht über den Orient, ed. R. Röhricht/H. Meisner, 1887, 1-86; Sebald Rieter (d. J.): Das Reisebuch der Familie Rieter, ed. R. Röhricht/H. Meisner, 1884; Schiltberger, Hans: Hans Schiltbergers Reisebuch nach der Nürnberger Handschrift, ed. V. Langmantel, 1885. Auf: https://archive.org/details/hansschiltberge01langgoog. Zugriff am 30.11.2017 um 16:57 Uhr; Hans Tucher: Die 'Reise ins Gelobte Land' Hans Tuchers des Älteren (1479-1480), ed. R. Herz, 2002; Ludovico de Varthema: Die Ritterlich und lobwirdig rayß des gestrengen und über all ander weyt erfarnen ritters und Lantfarers herren Ludowico vartomans von Bolonia Sagent von den landen Egypto Syria von bayden Arabia Persia Jndia Und Ethiopia von den gestalten syten und dero menschen leben und gelauben. Augsburg, 1515. Auf: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00011589/images. Zugriff am 30.11.2017 um 16:45 Uhr.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – E.4 – IV.2 Lyrische Texte

Der als sittich bezeichnete Papagei wird in der dritten Strophe des um 1200 entstandenen Lied VI a Heinrichs von Morungen (MF 127,1) genannt. In dem Lied, das mit West ich, ob ez verswîget möhte sîn einsetzt, spricht ein lyrisches Ich von seiner heimlichen Liebe zu einer Dame und erklärt, dass es die Geliebte den Rezipienten vorstellen würde, wenn es denn nur sicher sein könnte, dass alles weiterhin im Verborgenen bliebe. Daraufhin wird deutlich, dass es sich um den Casus der hohen Minne handelt, denn das lyrische Ich bedauert, dass die Minnedame – während der langen Zeit, in der es sich um sie bemüht habe – nicht den ʻLernerfolgʼ gezeigt habe, über die Liebe sprechen zu können. Seiner Ansicht nach hätten ein Papagei oder ein Star diese Sprachleistung innerhalb desselben Zeitraums erbracht (Str. 3, V. 1f.: Waer ein sitich alder ein star, die mehten sît / gelernet hân, daz si spraechen minnen).
Auch im Angerlied Kristans von Hamle wird der Papagei erwähnt. Direkt in den ersten beiden Versen heißt es Ich wolde, daz der anger sprechen solde / als der sitich in dem glas (Angerlied, V. 1f.) Das lyrische Ich wünscht sich, die Wiese, über die kürzlich seine Minnedame geschritten sei, solle sprechen als der sitich in dem glas (Str. 1, V. 2) also ʻwie der Papagei im Spiegel’. Der von Heyne geäußerte Vorschlag, das Wort glas (V. 2) mit ʻPapageienbehälterʼ zu übersetzen (Heyne, 173), scheint verfehlt, da diese Übersetzung die antiken und mittelalterlichen naturkundlichen Vorstellungen vom Papagei und dessen Zuneigung zu seinem eigenen Spiegelbild nicht berücksichtigt (→ C. II.2). Offenbar stellen die ersten beiden Verse im Angerlied eine Anspielung auf eine besondere Methode des Sprachlerntrainings dar; eine Methode, bei der man das Tier angeblich vor einen Spiegel setzte und ein Mensch sich hinter dem Spiegel verbarg, um dem Papagei etwas vorzusprechen. Der Papagei glaube sich in dieser Situation mit einem sprechenden Artgenossen konfrontiert, versuche diesen nachzuahmen und lerne auf diese Weise schneller sprechen.
In dem Marienlob Die Goldene Schmiede Konrads von Würzburg wird der Papagei als ein Vogel dargestellt, dessen Gefieder weder mit Regen noch mit Tau in Berührung kommt (Die Goldene Schmiede, V. 1850-1853). Diese Vorstellung erlaubt einen Vergleich des Tiers mit der Heiligen Jungfrau, denn ebenso wie der Papagei frei von Feuchtigkeit bleibt, bleibt Maria unbefleckt und frei von jeder Sünde.

Ausg.: Heinrich von Morungen: Lieder, ed. H. Tervooren, 2003; Kristan von Hamle: Angerlied, in: KLD I, Nr. 30; Konrad von Würzburg, Die goldene Schmiede, ed. E. Schröder, 1969.

Lit.: M. Heyne: Das deutsche Wohnungswesen von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert (= Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert, Bd. 1), 1899; E.-M. Hochkirchen: Präsenz des Singvogels im Minnesang und in der Trouvèrepoesie, Heidelberg 2015, 78-82; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – E.4 – II.2 Tierkunde

Im BdN Konrads von Megenberg werden zahlreiche Angaben zum Papageien gemacht die bereits in den antiken naturkundlichen Texten sowie in den lateinischen Enzyklopädien, insbesondere in seiner Vorlage (Thomas III) zu finden sind (KM, BdN (→ B.1; → C.II.2). So ist etwa auch im BdN nachzulesen, der Papagei stamme aus Indien, er sei von grüner Farbe und weise ein rotes Halsband auf. Er verfüge zudem über eine breite Zunge, die es ihm ermögliche, menschenähnlich zu sprechen. Der Vogel grüße Menschen von Natur aus, und sowohl sein Schnabel als auch sein Kopf zeichneten sich durch besondere Härte aus. Das Tier lerne am besten innerhalb der ersten beiden Lebensjahre und könne durch Schläge auf den Kopf ‒ die ihm mit Hilfe einer kleinen Eisenstange beigebracht würden ‒ konditioniert werden. Er führe seine Nahrung mit dem Fuß zum Schnabel und eine Unterscheidung zwischen edlen und unedlen Papageien sei aufgrund der unterschiedlichen Anzahl der Zehen möglich. Während edle Papageien fünf Zehen an jedem Fuß hätten, besäßen unedle Exemplare lediglich drei. Auch Konrad von Megenberg erklärt, der Vogel sei auf dem Berg Gelbœ beheimatet, auf dem es so gut wie nie regne, denn Regenwasser sei tödlich für das Tier. Es reinige sein Gefieder mit dem Schnabel, trinke gerne Wein und werde davon ausgelassen und erfreue sich in unkeuscher Weise am Anblick junger Frauen.

Ausg.: Konrad von Megenberg: Das ›Buch der Natur‹, ed. R. Luff/G. Steer, 2003.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – E.4 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Da die älteste griechische Physiologus-Redaktion keinen Eintrag zum Papagei enthält, sind auch keine Einträge in die lateinsiche Fassung b gelangt; und deswegen ist der Papagei weder in der Dicta-Version, noch im Physiologus Theobaldi enthalten, so dass eine deutschsprachige Rezeption nicht möglich war.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – C. – II.2 Tierkunde

Indien gilt als das wichtigstes Herkunftsland des Papageis (IS 12, 7, 24; HM 8, 7; AN 1, 38; VB 26, 135; AM 23, 138; TC 5, 109;). Das Tier wird meist als ‘grün mit rotem Halsband’ beschrieben. Es ist daher anzunehmen, dass der Halsbandsittich (psittacus krameri) als ‘prototypischer Papagei’ wahrgenommen wurde. Die Härte des Papageien-Schnabels scheint für mittelalterliche Gelehrte eine wichtigere Rolle gespielt zu haben als dessen gekrümmte Form (AN I, 38; VB; AM; TC).
Als Heimat des Papageis wird neben Indien auch der Berg Gelbœ genannt, auf dem es nur äußerst selten regne. Der Vogel vertrage nämlich kein Wasser oder sterbe sogar, wenn er damit in Berührung komme (AN I, 36; VB; TC). Die bereits von Aristoteles in der HA getätigte Aussage, der Papagei trinke gerne Wein und werde davon ausgelassen, findet zum Teil in mittelalterlichen Enzyklopädien Erwähnung (VB; TC) – ebenso wie die Zuneigung, die der Vogel angeblich jungen Damen entgegenbringt (VB). Darüber hinaus wird auch die Zuneigung genannt, die der Vogel für sein eigenes Spiegelbild empfinde (AN I, 36; VB).
Die Enzyklopädien berichten von der breiten Papageien-Zunge, die es dem Tier ermögliche, wie ein Mensch zu sprechen (IS; RM; AN I, 36; VB; AM; TC). Der Vogel beherrsche die menschliche Sprache sogar so gut, dass man – wenn man ihn nicht sähe – den Eindruck gewinnen könne, ein Mensch spreche gerade. In den ersten Lebensjahren seien die größten Sprachlernerfolge zu erzielen und es sei förderlich, dem Tier mit einer kleinen Eisenstange Schläge auf den Kopf zu verpassen (AN I, 38; VB; AM; TC, vgl. Apuleius, Florida 12,3).
Alexander Neckam entwickelt zudem eine Pseudo-Etymologie des Namens papagabio (AN I, 36). Gemäß dieser Etymologie handelt es sich beim Papagei um den edelsten gabio, wobei das Wort gabio (so mündlich D. Berrens) im Lateinischen nicht existiert und augenscheinlich eine Erfindung des Autors darstellt. Neckam erklärt zudem, der Papageienkäfig dürfe nicht aus Holz gefertigt sein, da andernfalls die Gefahr einer Zerstörung durch den Schnabel des Tiers bestehe. Im Rahmen verschiedener Anekdoten werden zudem die Klugheit, Gerissenheit und Verschlagenheit des Papageis narrativ entfaltet (AN I, 37; TC). Gelegentlich finden sich allegorische Deutungen (HM, AN, BA, Randnoten).

Ausg.: Albertus Magnus: De animalibus, Bd. II, ed. H. Stadler, 1920; Alexander Neckam: De naturis rerum libri duo, ed. T. Wright, 1863; Hrabanus Maurus: De rerum naturis, ed. J. P. Migne, 1852; Isidorus: Etymologiarum sive Originum libri XX, ed. W. M. Lindsay; Thomas von Cantimpré: Liber de natura rerum, ed. H. Boese, 1973; Vinzenz von Beauvais, Speculum naturale 1624, ND 1964.

Lit.: B. T. Boehrer: Parrot Culture. Our 2500-Year-Long Fascination with the World’s Most Talkative Bird, 2004, 27-29; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017; B. Ribémont: Histoires de perroquets: petit itinéraire zoologique et poétique, in: Reinardus 3 (1990), 163-166.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – D.1 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Da der Papagei erst im 11. Jahrhundert in den griechischen Physiologus aufgenommen wird, findet er nur in vergleichsweise wenigen Bestiarien Erwähnung. Weder in den Bestiarien von Philippe de Thaon, Guillaume le Clerc de Normandie und Gervaise noch in der Kurzfassung von Pierre de Beauvais (Bnf fr. 834) oder im Bestiaire d’amour Richards de Fournival wird das Tier genannt.
Alleine die Langfassung des Bestiariums von Pierre de Beauvais bietet neue Informationen, denn während in mittelalterlichen Enzyklopädien stets nachzulesen ist, Regen sei tödlich für das Tier (→ C. II.2), erklärt Pierre, der Vogel fürchte, durch Regenwasser könne die Farbe seines Gefieders hässlich werden. Daher nehme sich der Papagei – ebenso wie alle weisen Vögel – davor in Acht.

Ausg.: Pierre de Beauvais, Le Bestiaire de Pierre de Beauvais (Version longue), ed. C. Baker 2010, 175.

Lit.: F. McCulloch: Medieval Latin and French Bestiaries, 1962, 150f.; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017; B. Ribémont: Histoires de perroquets: petit itinéraire zoologique et poétique, in: Reinardus 3 (1990), 161f.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – C. – II.1 Physiologus, Bestiarien

Die Aufnahme des Papageis in den griechischen Physiologus findet erst im 11. Jahrhundert statt (pseudo-basilianische Physiologus-Redaktion; Version BI nach der Nomenklatur Mc Cullochs). In dieser pseudo-basilianische Physiologus-Redaktion wird über das Tier gesagt, es sei ‘klein wie ein Rebhuhn’ und spreche ‘in gleicher Weise wie ein Mensch’. Daraufhin folgt die religiös-heilsgeschichtliche Auslegung dieser Sprachbegabung nach Basilius: Auch der Mensch solle die Stimmen der Apostel, die Gott gepriesen hätten, und den Wandel der Gerechten nachahmen, damit er sich als würdig erweise, die lichtglänzenden Sitze der Gerechten zu erreichen.
Bei der Aussage, der Papagei spreche selbst und unterhalte sich in gleicher Weise wie ein Mensch, könnte es sich um eine Martial-Rezeption handeln (Martial, Epigramm XIV, 73). Der Physiologus greift die ‒ durch Isidor von Sevilla (Etymologien 12, 7, 24) tradierte ‒ Eigenschaft des Vogels auf und schließt eine religiös-heilsgeschichtliche Deutung daran an (→ B. 1; → C. II.2). Den Ausgangspunkt bildet dabei die Sprachbegabung, die bereits in antiken naturkundlichen Texten das Hauptmerkmal des Vogels darstellt (Aristoteles, HA 8,12 597b 27–29; Plinius NH 10,117; Solinus 52, 43-45). Die späte Aufnahme des Papageis in den Physiologus ist höchstwahrscheinlich der Grund dafür, dass dieser Vogel auch in vergleichsweise wenigen lateinischen und französischen Bestiarien zu finden ist (→ D.1.II.1).

Ausg.: Aristoteles: Tierkunde, übers. P. Gohlke, 21957; Isidorus: Etymologiarum sive Originum libri XX, ed. J. André, 1986; M. Valerius Martialis: Epigramme, ed. N. Holzberg, 2008; Physiologus, ed. F. Sbordone, 1936; Physiologus. Frühchristliche Tiersymbolik, ed. U. Treu, 1987 [dt. Ausgabe]; C. Plinius Secundus: Naturalis historia, ed. R. König/G. Winkler, 1973-2007, Buch 10; C. Julius Solinus: Collectanea rerum memorabilium, ed. T. Mommsen, 1895.

Lit.: B. T. Boehrer: Parrot Culture. Our 2500-Year-Long Fascination with the World’s Most Talkative Bird, 2004, 24f.; F. McCulloch: Medieval Latin and French Bestiaries, 1962, 150f.; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017; B. Ribémont: Histoires de perroquets: petit itinéraire zoologique et poétique, in: Reinardus 3 (1990), 161f.

Stephanie Mühlenfeld