Der Panther findet in drei verschiedenen mittelalterlichen Fassungen des Alexanderromans Erwähnung. Im Straßburger- und im Basler Alexander, sowie in der Prosafassung Johann Hartliebs. Dabei lassen sich drei unterschiedliche Situationen konstatieren, in denen Alexander mit dem Tier konfrontiert wird.
Einerseits muss der Protagonist sich auf seinem Weg nach Indien gegen die Angriffe wilder Panther zur Wehr setzen (Hartlieb, Alexander, Z. 5899-5901). Andererseits werden sie innerhalb aller drei genannten Fassungen des Romans auch in einem ʻGeschenke-Katalogʼ aufgelistet, der darüber informiert, welche kostbaren Gaben Alexander von Königin Candacis zugesandt bekommt (Straßburger Alexander, V. 5095/5543-5145/5593; Basler Alexander, V. 3616; Hartlieb, Alexander, Z. 3796f.).
Darüber hinaus wird im Straßburger Alexander von einem besonderen Faszinosum im Palast der Candacis berichtet. Die Königin ist im Besitz eines exzeptionellen Hirschautomaten, der allerdings nicht bloß die Merkmale eines Hirschs aufweist, sondern auch pantherähnliche Züge erkennen lässt. Explizit wird gesagt, der Hirschautomat gebe Töne von sich, die der Stimme eines Panthers glichen und von dem Atem des künstlichen Tiers gehe ein herrlicher Duft aus, der sûzer den wîrouch ‚betörender als Weihrauch‘ sei (V. 5553-5581).
Im Apollonius von Tyrland Heinrichs von Neustadt wird zum einen von einem Panther berichtet und zum anderen von einem pantherähnlichen Tier, das den Namen Milgot trägt. Dem Milgot begegnet der Protagonist im Rahmen einer seiner Bewährungsproben im Orient (V. 6618-6636; 6953-6960; 7059-7065). Apollonius sitzt nach einem schweren Seesturm zunächst alleine auf einer Insel fest und glaubt sich verloren, als das pantherähnliche Tier erscheint und ihm Hilfe leistet. Die proprietates, die es rechtfertigen, hier von einer Pantherähnlichkeit zu sprechen, sind in den bunt schillernden Farben des Tiers zu sehen sowie in dem guten Duft, der von ihm ausgeht. Darüber hinaus erweist es sich als überaus hilfsbereit ‒ eine Panther-Eigenschaft, die bereits in der NH Erwähnung findet (→ B. 1).
Im weiteren Verlauf der Erzählung macht Apollonius jedoch auch noch Bekanntschaft mit einem anderen Tier, das explizit als panthyr bezeichnet wird (V. 10163-10178). Als der Protagonist auf den Panther trifft, befindet sich dieser gerade in einem erbitterten Kampf mit einem Drachen. Apollonius schlägt sich auf die Seite des Panthers und riskiert dabei sein eigenes Leben. Der Panther läuft währenddessen zu einer Wasserstelle, nimmt ausreichend Wasser in sein Maul und löscht den Brand, der von dem feuerspeienden Drachen entfacht wurde (V. 10201-10208). Auch in dieser Pantherszene wird ein Wissensbestandteil, der sowohl in mittelalterlichen naturkundlichen Quellen als auch in den Bestiarien zu finden ist, narrativ entfaltet ‒ nämlich die Feindschaft zwischen Panther und Drache (→E.4.II.1; →E.4. II. 2).
Auch im Wigalois Wirnts von Grafenberg wird ein Tier beschrieben, das Ähnlichkeiten mit einem Panther aufweist (V. 3851-3883). Es handelt sich dabei um das ʻschöne Tierʼ, in das sich der verstorbene König Lar von Zeit zu Zeit verwandelt. Was dieses Tier in gedankliche Nähe zu einem Panther rückt, sind die Informationen, das Tier trage eine Krone und sein Maul sei von großer Hitze erfüllt. Da das schöne Tier in dem nachklassischen Artusroman auch als Wappentier der Burg Roimunt fungiert, erscheint es denkbar, dass Wirnt von Grafenberg sich an realhistorischen Panther-Wappen orientierte und dass das ʻschöne Tierʼ eine literarische Überformung dieser Wappen darstellt (Denruyter, 131f.).
Ausg.: Heinrich von Neustadt: Apollonius von Tyrland. Nach der Gothaer Handschrift, ed. S. Singer, 1967; Johann Hartlieb: Alexander, ed. R. Pawis, 1991; Pfaffe Lambrecht: Alexanderroman. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, ed. E. Lienert, 2007; Pfaffe Lambrecht: Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander, ed. R. M. Werner, 1881; Wirnt von Grafenberg: Wigalois, ed. J. M. N. Kapteyn, 2014;
Lit.: H. Denruyter: Tierisches Leben im „Wigalois“ Wirnts von Gravenberc, in: LeuvBijdr 87 (1998), 119-138; J. Eming: Luxurierung und Auratisierung von Wissen im Straßburger Alexander, in: Fremde - Luxus - Räume. Konzeptionen von Luxus in Vormoderne und Moderne, ed. G. Pailer, F. Schößler, J. Traulsen und J. Eming, 2015, 63-83; S. Finkele, und B. Krause: Automaten (und ihre Konstruktion) in hochmittelalterlicher Dichtung, in: Technikfiktionen und Technikdiskurse: Ringvorlesung des Instituts für Literaturwissenschaft im Sommersemester 2009, ed. S. Finkele / B. Krause, 2012, 9-50; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.
Stephanie Mühlenfeld