PANTHER – Deutsche Literatur

Panther – E.4 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Dem Panther wird sowohl in den deutschsprachigen Physiologus-Versionen, die auf der sog. Dicta-Version basieren, ein Kapitel gewidmet als auch in denjenigen, die in der Physiologus Theobaldi-Tradition stehen. Ebenso wie im Middle English Physiologus (→ E.2.II.1), wird in allen deutschsprachigen Fassungen gesagt, beim Panther handle es sich um ein ausgesprochen schönes Tier. Im Physiologus Theobaldi deutsch wird an dieser Stelle sogar der Superlativ verwendet. Weiterhin haben alle Fassungen gemeinsam, dass stets der Drache als Feind des Panthers Erwähnung findet. Der Hauptunterschied zwischen den Physiologus-Fassungen, die auf der Dicta-Version basieren, und denjenigen, die in der Physiologus Theobaldi-Tradition stehen, liegt in der Beschreibung der Ernährungsgewohnheiten des Tiers. Im Wiener Prosa-Physiologus und im Millstätter Reim-Physiologus (beide stehen in der Dicta-Tradition) wird der Panther als karnivores Tier dargestellt, das auf die Jagd geht und sich von den erlegten Beutetieren ernährt. Im Althochdeutschen Physiologus werden keine Angaben zur bevorzugten Nahrung des Tiers gemacht. Im Physiologus Theobaldi deutsch hingegen ist nachzulesen, der Panther stille seinen Hunger mit manigfeltigen würczen vnd kreütern. Eine weitere Abweichung lässt sich bei der Beschreibung der Fellfärbung des Tiers konstatieren: während im Millstätter Reim-Physiologus gesagt wird, das Tier sei bunt, wird im Physiologus Theobaldi deutsch erklärt, es sei schwarz mit weißen Einsprengseln.
In allen deutschsprachigen Physiologus-Fassungen lesen wir, dass der Panther, nachdem er seinen Hunger gestillt habe, sich für die Dauer von drei Tagen in seine Höhle zurückziehe, um dort Ruhe zu finden und zu schlafen. Am dritten Tag stehe er wieder auf und stoße lautstarke Rufe aus. Beim Öffnen des Mauls verströme er einen so wunderbaren Duft, dass sich alle anderen Tiere augenblicklich von den Rufen und dem Duft angezogen fühlten. Sie bemühten sich daraufhin eilig und eifrig, dem Panther zu folgen. Einzig der Drache verabscheue die Rufe des Panthers und verkrieche sich furchtsam in sein Erdloch.
Im Rahmen der Exegese wird in allen Versionen erklärt, der schöne Panther sei Jesus Christus, der am dritten Tage von den Toten auferstanden sei. Die Tiere, die zum Panther eilen und ihm folgen, bedeuteten die gläubigen Christen, die sich nach dem Wort Gottes sehnten, und der Drache sei gleichbedeutend mit dem Teufel.

Ausg.: Der altdeutsche Physiologus. Die Millstätter Reimfassung und die Wiener Prosa (nebst dem Lateinischen Text und Dem Althochdeutschen Physiologus), ed. F. Maurer, 1967 (= Altdeutsche Textbibliothek Nr. 67); Physiologus Theobaldi Deutsch, ed. D. Schmidtke, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Bd. 89 (1967), 270-301, hier 300f.

Lit.: S. Mühlenfeld, Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Panther – E.4 – IV.3 Diskursive Texte

Der Panther findet sowohl im Niederrheinischen Orientbericht (ed. Röhricht / Meisner, 71) als auch im Itinerar Jean de Mandevilles Erwähnung (ed. Morrall, 130). In anderen Reiseberichten, wie beispielsweise der deutschen Fassung von Felix Fabris Evagatorium wird das Tier nicht thematisiert. Dies könnte daran liegen, dass in diesen Werken der Leopard zum Erzählgegenstand erhoben wird und dass es auch gegen Ende des Spätmittelalters keine vereinheitlichte Differenzierung zwischen Panther, Leopard und Gepard gegeben zu haben scheint. Allein in den Bestiarien (→D.1.II.1) findet eine klare Unterscheidung zwischen dem positiven wohlriechenden, buntgefärbten und teufelfeindlichen Fabel-Panther einerseits und dem negativen teufelähnlichen, blutrünstigen fleckigen Leoparden andererseits statt.
Mandeville geht insbesondere auf das Pantherleder ein, das er als ein ganz außergewöhnliches fernöstliches Luxusgut darstellt. Das kostbare Leder sei nämlich im Palast des Großkhans zu finden. Der mächtige Herrscher sei im Besitz eines riesigen Saals, der nicht nur auf vierundzwanzig Säulen aus purem Gold gebaut sei, sondern auch ganz exzeptionelle Wandbehänge aus rotem Leder aufweise. Dieses Leder stamme von einem Tier, das die Einheimischen als phinchions bezeichneten. An dieser Stelle könnte man den berechtigten Einwand erheben, dass die Bezeichnung phinchions, deren Herkunft bislang ungeklärt ist, recht wenig Ähnlichkeit mit allen anderen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Panther-Benennungen aufweist. C. Henss macht darauf aufmerksam, dass das Tier lediglich in der Velser-Handschrift den Namen phinchions trägt. In allen anderen deutschsprachigen Versionen des Reiseberichts ließen sich die Benennungen phanterus, pachis oder pinchieuls finden (Henss, Die wunderbaren Reichtümer des Ostens [...], 97). Ein Indiz dafür, dass an dieser Stelle Pantherleder gemeint ist, ist in einer Eigenschaft zu sehen, die Mandeville den Wandbehängen attestiert. Von ihnen gehe nämlich ein wunderbarer Duft aus, der den ganzen Saal vor schlechter Luft bewahre (von dem gůtten schmack mag kain b=sser lufft nit kummen in den palast). Der vorzügliche Duft des Panthers, der auch in antiken Quellen sowie in mittelalterlichen Enzyklopädien und Bestiarien Erwähnung findet, ist also auch innerhalb von Mandevilles Reisebericht das entscheidende Merkmal des Tiers. Im Unterschied zu den genannten Quellen wird in dem Itinerar jedoch gesagt, der Duft gehe von der Haut des getöteten Tiers aus und nicht vom Atem eines lebenden Exemplars. Abschließend erklärt Mandeville, aufgrund des guten Duftes würden Panther im Reich des Großkhans von der Bevölkerung angebetet.
Auch im Niederrheinischen Orientbericht gilt das Hauptinteresse dem Fell des getöteten Tiers. Zuerst wird erklärt, der Panther sei ein kleines Tier und sein Fell sei von Reinlichkeit gekennzeichnet. Außerdem sei er so bunt wie ein Regenbogen. Adelige nutzten Pantherfelle gerne als Bettvorleger, denn dadurch würde alles Schlechte abgewehrt. Panther lebten ausschließlich in Indien und seien nicht bereit, etwas anderes zu sich zu nehmen als edle Kräuter. Auch im Niederrheinischen Orientbericht findet der vorzüglich duftende Atem des Tiers Erwähnung. Er gebe allen anderen Tieren Anlass, dem Panther zu folgen. Abschließend wird vom Zorn des Panthers berichtet, durch den das Tier zuweilen alle anderen Lebewesen (auch Drachen) in die Flucht schlage.

Ausg.: Ein Niederrheinischer Bericht über den Orient, ed. R. Röhricht / H. Meisner, 1887; Jean de Mandeville: Sir John Mandevilles Reisebeschreibung. In deutscher Übersetzung von Michael Velser. Nach der Stuttgarter Papierhs. Cod. HB V 86, ed. E. J. Morrall, 1974.

Lit.: C. Henss: Die wunderbaren Reichtümer des Ostens ‒ Funktionalisierung von Luxus und Reichtum in den deutsch-sprachigen Versionen von Mandevilles Reisen. In: Fremde - Luxus - Räume. Konzeptionen von Luxus in Vormoderne und Moderne, ed. G. Pailer, F. Schößler, J. Traulsen und J. Eming 2015, 85-108; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Panther – E.4 – IV.1 Narrative Texte

Der Panther findet in drei verschiedenen mittelalterlichen Fassungen des Alexanderromans Erwähnung. Im Straßburger- und im Basler Alexander, sowie in der Prosafassung Johann Hartliebs. Dabei lassen sich drei unterschiedliche Situationen konstatieren, in denen Alexander mit dem Tier konfrontiert wird.
Einerseits muss der Protagonist sich auf seinem Weg nach Indien gegen die Angriffe wilder Panther zur Wehr setzen (Hartlieb, Alexander, Z. 5899-5901). Andererseits werden sie innerhalb aller drei genannten Fassungen des Romans auch in einem ʻGeschenke-Katalogʼ aufgelistet, der darüber informiert, welche kostbaren Gaben Alexander von Königin Candacis zugesandt bekommt (Straßburger Alexander, V. 5095/5543-5145/5593; Basler Alexander, V. 3616; Hartlieb, Alexander, Z. 3796f.).
Darüber hinaus wird im Straßburger Alexander von einem besonderen Faszinosum im Palast der Candacis berichtet. Die Königin ist im Besitz eines exzeptionellen Hirschautomaten, der allerdings nicht bloß die Merkmale eines Hirschs aufweist, sondern auch pantherähnliche Züge erkennen lässt. Explizit wird gesagt, der Hirschautomat gebe Töne von sich, die der Stimme eines Panthers glichen und von dem Atem des künstlichen Tiers gehe ein herrlicher Duft aus, der sûzer den wîrouch ‚betörender als Weihrauch‘ sei (V. 5553-5581).
Im Apollonius von Tyrland Heinrichs von Neustadt wird zum einen von einem Panther berichtet und zum anderen von einem pantherähnlichen Tier, das den Namen Milgot trägt. Dem Milgot begegnet der Protagonist im Rahmen einer seiner Bewährungsproben im Orient (V. 6618-6636; 6953-6960; 7059-7065). Apollonius sitzt nach einem schweren Seesturm zunächst alleine auf einer Insel fest und glaubt sich verloren, als das pantherähnliche Tier erscheint und ihm Hilfe leistet. Die proprietates, die es rechtfertigen, hier von einer Pantherähnlichkeit zu sprechen, sind in den bunt schillernden Farben des Tiers zu sehen sowie in dem guten Duft, der von ihm ausgeht. Darüber hinaus erweist es sich als überaus hilfsbereit ‒ eine Panther-Eigenschaft, die bereits in der NH Erwähnung findet (→ B. 1).
Im weiteren Verlauf der Erzählung macht Apollonius jedoch auch noch Bekanntschaft mit einem anderen Tier, das explizit als panthyr bezeichnet wird (V. 10163-10178). Als der Protagonist auf den Panther trifft, befindet sich dieser gerade in einem erbitterten Kampf mit einem Drachen. Apollonius schlägt sich auf die Seite des Panthers und riskiert dabei sein eigenes Leben. Der Panther läuft währenddessen zu einer Wasserstelle, nimmt ausreichend Wasser in sein Maul und löscht den Brand, der von dem feuerspeienden Drachen entfacht wurde (V. 10201-10208). Auch in dieser Pantherszene wird ein Wissensbestandteil, der sowohl in mittelalterlichen naturkundlichen Quellen als auch in den Bestiarien zu finden ist, narrativ entfaltet ‒ nämlich die Feindschaft zwischen Panther und Drache (→E.4.II.1; →E.4. II. 2).
Auch im Wigalois Wirnts von Grafenberg wird ein Tier beschrieben, das Ähnlichkeiten mit einem Panther aufweist (V. 3851-3883). Es handelt sich dabei um das ʻschöne Tierʼ, in das sich der verstorbene König Lar von Zeit zu Zeit verwandelt. Was dieses Tier in gedankliche Nähe zu einem Panther rückt, sind die Informationen, das Tier trage eine Krone und sein Maul sei von großer Hitze erfüllt. Da das schöne Tier in dem nachklassischen Artusroman auch als Wappentier der Burg Roimunt fungiert, erscheint es denkbar, dass Wirnt von Grafenberg sich an realhistorischen Panther-Wappen orientierte und dass das ʻschöne Tierʼ eine literarische Überformung dieser Wappen darstellt (Denruyter, 131f.).

Ausg.: Heinrich von Neustadt: Apollonius von Tyrland. Nach der Gothaer Handschrift, ed. S. Singer, 1967; Johann Hartlieb: Alexander, ed. R. Pawis, 1991; Pfaffe Lambrecht: Alexanderroman. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, ed. E. Lienert, 2007; Pfaffe Lambrecht: Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander, ed. R. M. Werner, 1881; Wirnt von Grafenberg: Wigalois, ed. J. M. N. Kapteyn, 2014;

Lit.: H. Denruyter: Tierisches Leben im „Wigalois“ Wirnts von Gravenberc, in: LeuvBijdr 87 (1998), 119-138; J. Eming: Luxurierung und Auratisierung von Wissen im Straßburger Alexander, in: Fremde - Luxus - Räume. Konzeptionen von Luxus in Vormoderne und Moderne, ed. G. Pailer, F. Schößler, J. Traulsen und J. Eming, 2015, 63-83; S. Finkele, und B. Krause: Automaten (und ihre Konstruktion) in hochmittelalterlicher Dichtung, in: Technikfiktionen und Technikdiskurse: Ringvorlesung des Instituts für Literaturwissenschaft im Sommersemester 2009, ed. S. Finkele / B. Krause, 2012, 9-50; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Panther – E.4 – II.2 Tierkunde

Im BdN Konrads von Megenberg werden zahlreiche Panther-Informationen genannt, die bereits in den antiken naturkundlichen Texten sowie in den lateinischen Enzyklopädien zu finden sind (KM, BdN III.A.58; → B. 1; → C. II.2).
Konrad gibt als eine seiner Quellen zunächst Solinus an und erläutert die Fellfärbung des Panthers. Das Fell sei in kleinen gelben oder goldfarbenen, schwarzen und weißen Kreisen gemustert. Der Panther sei ein sanftmütiges Tier und ein Feind des Drachen.
Als weitere Quelle seiner Informationen führt Konrad Aristoteles an, schreibt diesem jedoch Aussagen zu, die nicht in der Historia animalium, sondern in den deutschsprachigen Physiologus-Fassungen zu finden sind, die die sog. Dicta-Version rezipieren. Es handelt sich dabei um die Informationen, der Panther verweile – nachdem er gefressen habe – drei Tage in seiner Höhle, daraufhin gebe er laute Rufe von sich und verströme einen süßen Duft (süezen smack), von dem andere Tiere angelockt würden.
Ebenso wie in der NH steht auch hier der anziehende, gute Duft im Gegensatz zum anplick des Panthers, der andere Tiere erschrecken lässt (→ B. 1). Auch wenn das Wort anplick sematisch weiter ist und nicht ausschließlich ‘Gesicht’ und ‘Kopf’ meinen muss, ist es an diese Stelle – die eine genaue Plinius-Rezeption darstellt – wohl doch als ‘wilder Kopf’ zu verstehen. Wichtig ist, dass das herausragende Merkmal des Panthers – der gute Duft – im BdN ausschließlich die Funktion eines Köders erfüllt. Dem Panther-Duft widerfährt also weder eine religiös-heilsgeschichtliche Ausdeutung, noch dient er dazu, eine andere allegorische Ebene zu eröffnen, wie dies beispielsweise in den Bestiarien und zum Teil auch in lyrischen Texten der Fall sein kann.
Ein weiteres Thema, das Konrad anspricht, ist die Gebärfähigkeit des Panther-Weibchens Hier führt er Isidor von Sevilla als Quelle und Gewährsmann für die Richtigkeit seiner Informationen an.
Daraufhin wird erklärt, der Panther weise einen mondförmigen Fleck auf seiner Schulter auf –ein Merkmal, das wohl auf Plinius zurückgeht und auch bei Albertus Magnus und Thomas von Cantimpré Erwähnung findet (→ B. 1; → C. II.2).
Abschließend wird die Feindschaft zum Drachen, die bereits zuvor angesprochen wurde, erneut aufgegriffen und etwas näher erläutert: sie basiere darauf, dass der Drache die Stimme des Panthers fürchte. Wichtig erscheint zudem, dass Konrad von Megenberg zwischen Panther, Parder und Leopard differenziert und auch den beiden letztgenannten einen eigenen Abschnitt widmet (BdN III.A.57 und III.A.38).

Ausg.: Aristoteles: Historia animalium, ed. D. M. Balme, prepared for publication by A. Gotthelf, 2011; Albertus Magnus: De animalibus, ed. H. Stadler. 1916-1920; Konrad von Megenberg: Das ›Buch der Natur‹, ed. R. Luff/G. Steer, 2003; Der altdeutsche Physiologus. Die Millstätter Reimfassung und die Wiener Prosa (nebst dem lateinischen Text und dem althochdeutschen Physiologus), ed. F. Maurer, 1967; Thomas von Cantimpré: Liber de natura rerum. Editio princeps secundum codices manuscriptos. Teil 1, ed. H. Boese, 1973; Thomas von Cantimpré: Liber de naturis rerum. Redaktion III (Thomas III), ed. Projektgruppe B2 des SFB 226 Würzburg-Eichstätt unter Leitung von B. K. Vollmann, [1992, masch.]; C. Plinius Secundus: Naturalis historia, ed. R. König/G. Winkler, Bd. 8, 2007.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld