Panther – E.4 – IV.3 Diskursive Texte

Der Panther findet sowohl im Niederrheinischen Orientbericht (ed. Röhricht / Meisner, 71) als auch im Itinerar Jean de Mandevilles Erwähnung (ed. Morrall, 130). In anderen Reiseberichten, wie beispielsweise der deutschen Fassung von Felix Fabris Evagatorium wird das Tier nicht thematisiert. Dies könnte daran liegen, dass in diesen Werken der Leopard zum Erzählgegenstand erhoben wird und dass es auch gegen Ende des Spätmittelalters keine vereinheitlichte Differenzierung zwischen Panther, Leopard und Gepard gegeben zu haben scheint. Allein in den Bestiarien (→D.1.II.1) findet eine klare Unterscheidung zwischen dem positiven wohlriechenden, buntgefärbten und teufelfeindlichen Fabel-Panther einerseits und dem negativen teufelähnlichen, blutrünstigen fleckigen Leoparden andererseits statt.
Mandeville geht insbesondere auf das Pantherleder ein, das er als ein ganz außergewöhnliches fernöstliches Luxusgut darstellt. Das kostbare Leder sei nämlich im Palast des Großkhans zu finden. Der mächtige Herrscher sei im Besitz eines riesigen Saals, der nicht nur auf vierundzwanzig Säulen aus purem Gold gebaut sei, sondern auch ganz exzeptionelle Wandbehänge aus rotem Leder aufweise. Dieses Leder stamme von einem Tier, das die Einheimischen als phinchions bezeichneten. An dieser Stelle könnte man den berechtigten Einwand erheben, dass die Bezeichnung phinchions, deren Herkunft bislang ungeklärt ist, recht wenig Ähnlichkeit mit allen anderen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Panther-Benennungen aufweist. C. Henss macht darauf aufmerksam, dass das Tier lediglich in der Velser-Handschrift den Namen phinchions trägt. In allen anderen deutschsprachigen Versionen des Reiseberichts ließen sich die Benennungen phanterus, pachis oder pinchieuls finden (Henss, Die wunderbaren Reichtümer des Ostens [...], 97). Ein Indiz dafür, dass an dieser Stelle Pantherleder gemeint ist, ist in einer Eigenschaft zu sehen, die Mandeville den Wandbehängen attestiert. Von ihnen gehe nämlich ein wunderbarer Duft aus, der den ganzen Saal vor schlechter Luft bewahre (von dem gůtten schmack mag kain b=sser lufft nit kummen in den palast). Der vorzügliche Duft des Panthers, der auch in antiken Quellen sowie in mittelalterlichen Enzyklopädien und Bestiarien Erwähnung findet, ist also auch innerhalb von Mandevilles Reisebericht das entscheidende Merkmal des Tiers. Im Unterschied zu den genannten Quellen wird in dem Itinerar jedoch gesagt, der Duft gehe von der Haut des getöteten Tiers aus und nicht vom Atem eines lebenden Exemplars. Abschließend erklärt Mandeville, aufgrund des guten Duftes würden Panther im Reich des Großkhans von der Bevölkerung angebetet.
Auch im Niederrheinischen Orientbericht gilt das Hauptinteresse dem Fell des getöteten Tiers. Zuerst wird erklärt, der Panther sei ein kleines Tier und sein Fell sei von Reinlichkeit gekennzeichnet. Außerdem sei er so bunt wie ein Regenbogen. Adelige nutzten Pantherfelle gerne als Bettvorleger, denn dadurch würde alles Schlechte abgewehrt. Panther lebten ausschließlich in Indien und seien nicht bereit, etwas anderes zu sich zu nehmen als edle Kräuter. Auch im Niederrheinischen Orientbericht findet der vorzüglich duftende Atem des Tiers Erwähnung. Er gebe allen anderen Tieren Anlass, dem Panther zu folgen. Abschließend wird vom Zorn des Panthers berichtet, durch den das Tier zuweilen alle anderen Lebewesen (auch Drachen) in die Flucht schlage.

Ausg.: Ein Niederrheinischer Bericht über den Orient, ed. R. Röhricht / H. Meisner, 1887; Jean de Mandeville: Sir John Mandevilles Reisebeschreibung. In deutscher Übersetzung von Michael Velser. Nach der Stuttgarter Papierhs. Cod. HB V 86, ed. E. J. Morrall, 1974.

Lit.: C. Henss: Die wunderbaren Reichtümer des Ostens ‒ Funktionalisierung von Luxus und Reichtum in den deutsch-sprachigen Versionen von Mandevilles Reisen. In: Fremde - Luxus - Räume. Konzeptionen von Luxus in Vormoderne und Moderne, ed. G. Pailer, F. Schößler, J. Traulsen und J. Eming 2015, 85-108; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld