WOLF – Englische Literatur

Wolf – E.2 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Im Gegensatz zum Panther, dem Wal und dem Rebhuhn, welchen jeweils ein Abschnitt des im Exeter Book überlieferten altenglischen Vers-Physiologus gewidmet ist, wird der Wolf in diesem Werk ausgelassen. Ebenso räumt der Middle English Physiologus dem Wolf kein Kapitel ein, denn darin werden lediglich die dreizehn Tiere beschrieben, die der lateinischen Quelle, dem Physiologus Theobaldi, entnommen sind: der Löwe, der Adler, die Schlange, die Ameise, der Hirsch, der Fuchs, die Spinne, der Wal, das Wesen der Sirene, der Elefant, die Turteltaube, der Panther und zuletzt die Taube. Der Wolf wird dennoch stets in den lateinischen Bestiarien behandelt, die auch im England des Mittelalters weit verbreitet waren.

Ausg.: The Old English Physiologus, The Exeter Book, ed. G. Ph. Krapp and E. van Kirk Dobbie, 1936, 169-174; The Middle English Physiologus, ed. H. Wirtjes, 1991.

Irina Rau

Wolf – E.2 – II.3 Gebrauchsschrifttum

Jagdtraktate: The royal huntsman William Twiti’s Art of Hunting (c. 1327) briefly defines the wolf as one of four beasts that is hunted, whilst The Boke of St. Albans (1486) includes it in its list of beasts of venery together with the stag and hare (DANIELSSON, 31). The Master of Game describes the nature of the wolf in detail, drawing on Gaston Phébus’ influential work (see D.1 II.3), and whilst it does not explicitly designate the wolf as a beast of venery, an illumination in one version of the manuscript (MS Bodley 146, f.3v.) depicts a castle with crenellated walls enclosing a number of animals, including a wolf, within what appears to be a stylised park. In other instances, and overwhelmingly in documentary sources, wolves were categorised as vermin (see PLUSKOWSKI), although the wolf is virtually absent from Middle English literature (ROONEY, 1).

Ausg.: William Twiti, The Art of Hunting, ed. B. DANIELSSON, 1977.

Lit.: J. CUMMINS: The Hound and the Hawk. The Medieval Art of Hunting, 1998; A. G. PLUSKOWSKI: Wolves and the Wilderness in the Middle Ages, 2006; A. ROONEY: Hunting in Middle English Literature, 1993.

Aleks Pluskowski

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Wolf – E.2 – IV.1 Narrative Texte

Obwohl der Wolf durchaus häufig in altenglischen Texten vorkommt, gibt es kein altenglisches Gedicht, das sich ausschließlich mit diesem Tier befasst. Zwar ist ein Wulf Protagonist des Gedichtes Wulf and Eadwacer’, jedoch verschmelzen hier Tier und Mensch derart, das der zweifelsfreie Bezug zum Tier oder Menschen nicht möglich ist.

In Dichtung als auch im realen Leben ist das Wort »Wolf« ein beliebter Namensteil, wobei sich besonders in der Dichtung der Name aus dem Charakter des Helden ableitet (so z.B. Wulfstan und Wulfmær im Battle of Maldon und Beowulf im gleichnamigen Epos). Bemerkenswert ist, dass sich die realen Namen meist aus einem Begriff aus dem Bereich des Kämpfens und dem Element Wolf-/–wolf zusammensetzen, so z.B. Wulfgar (Wolfspeer), Herewulf (Heerwolf) oder Sigewulf (Siegeswolf).

Obwohl die Eigenschaften des Wolfes, vor allem seine Stärke und Wildheit, besonders im Zusammenhang mit Kämpfen und Kriegern als durchaus bewunderungswürdig dargestellt werden, ist der Wolf insgesamt eher negativ konnotiert. In den literarischen und nicht-literarischen altenglischen Texten versinnbildlicht er daher hauptsächlich drei Motive: den Teufel, Exil und Gefahren der Natur und Kampf und Krieg.

Homiletik und Heiligenleben: Besonders in den Texten des Ælfric und Wulfstan ist der Wolf Sinnbild des Teufels und knüpft damit an die christliche allegorische Tradition an. Charakterisiert als von Natur aus niederträchtig, ist der Wolf ein Freund von Dieben und Verrätern und den (biblischen) Tyrannen ähnlich. Er ist der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz, der die göttliche Herde versprengt. Als Ausnahme zu diesem Bild gilt das Heiligenleben des St. Edmund von Ælfric. Darin überwindet der Wolf seine bösartige Natur und beschützt den Kopf des gemarterten Königs vor anderen wilden Tieren, trotz des eigenen Hungers. Hier wird die natürliche Wildheit des Tieres der Heiligkeit des Märtyrers gegenübergestellt, um diesen noch weiter zu erhöhen.

Religiöse Dichtung: Ähnlich wie in der Homiletik ist der Wolf in der religiösen Dichtung als Gegenstück zu allem Christlichen (Glaube, Moral etc.) zu verstehen. In diesen Gedichten wird das Bild des Wolfes als Teufel (z. B. in Christ I, ll. 255b-261a) mit dem Bild des Wolfes als blutrünstiger Fleischfresser (z. B. in Andreas, ll. 148-154a) verbunden, um so die Assoziationen von Gefahr aber auch das Heldentum der Protagonisten noch zu verstärken.

Nicht-religiöse Dichtung: In nicht-religiöser Dichtung symbolisiert der Wolf die Schutzlosigkeit und die Gefährdung des Menschen in der Welt. So steht er z.B. in den Fortunes of Men (ll. 10-14) und den Maxims I (ll. 146-151) für die Gefahren der Natur, denen der Mensch außerhalb seiner sozialen Gemeinschaft ausgesetzt ist, als auch für das Exil an sich. Der Ausgestoßene, der sich Wölfe als Gefährten sucht, um so der Einsamkeit zu entgehen, liefert sich einem Tier aus, das nicht davor zurückschreckt, den eigenen Freund zu reißen. Damit ist das Wolf-Mensch-Bündnis die Antithese zu jeder menschlichen Gemeinschaft, die so sehr im Mittelpunkt der angelsächsischen Dichtung steht.

Heroische Dichtung: Zusammen mit den Raben bildet der Wolf die ›beasts of battle‹. Dieses Motiv wird häufig in den Darstellungen von Schlachten verwendet, so z. B in den heroischen Gedichten Battle of Maldon (ll. 104b-106a), Battle of Brunanburh (ll. 60-65a) und Beowulf (ll. 3024b-3027) aber auch in den christlichen Gedichten Exodus (ll. 162-167), Elene (ll. 27b-30a, 52b-53a, 110b-113a) und Judith (ll. 204b-212a, 292b-296a). Die Aasfresser, die sich am Schlachtplatz versammeln, sind hier Propheten des Todes und erwecken eine düstere und grausame Atmosphäre.

Lit.: T. HONEGGER: Form and Function of the Beasts of Battle Revisited, English Studies 79 (1998), 289-298; H. MAGENNIS: Anglo-Saxon Appetites, 1999, 66-74; A. NITSCHKE: Verhalten und Bewegung der Tiere nach frühen christlichen Lehren, Studium Generale 20 (1967), 235-262; E. V. THORNBURY: Ælfric’s zoology, Neophilologus 92 (2008), 141-153.

Kathrin Prietzel

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