DELFIN – Deutsche Literatur

Delfin – E.4 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Unter dem lat. Namen Serra (›Säge‹) wird ein Meerestier beschrieben, das Eigenschaften eines Delfins aufweist: Es folgt Schiffen mit gespreizten Schwanz und Flügeln [gemeint sind wohl die Flossen], bis es müde wird. Als Delfin jedoch kommt der Delfin auch in den deutschsprachigen Versionen des Physiologus nicht vor.

Lit.: B. E. PERRY: Physiologus, Pauly-Wissowa 39 (1941), 1092 [zur Frage der Identität von Serra bzw. Prion und Delfin].

Sabine Obermaier

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Delfin – E.4 – II.2 Tierkunde, Enzyklopädik

Wie schon seine Vorlage, der Liber de naturis rerum (Redaktion Thomas III), ordnet Konrad von Megenberg in seinem Buch der Natur den Delfin den merwundern und nicht den vischen zu. Bereits in Konrads Vorlage sind jedoch alle Informationen vermieden, die auf ein Säugetier hinweisen (insbes. das Gebären und die Atmung). Konrad beschreibt analog zu Thomas III die für Fische ungewöhnliche Position des Maules am Bauch, die Besonderheiten der Zunge, den Geruchssinn, das Alter (140 Jahre mit abgehauenem Schwanz); er erwähnt die Liebe zu Gesang und Saitenspiel, die Schnelligkeit, die Absenz der Galle sowie die Eigenschaft, Menschen, die Delfinfleisch gegessen haben, zu fressen, sobald diese ins Wasser gefallen sind, dagegen Menschen, die dies nicht getan haben, zu retten und vor anderen Meerestieren zu schützen. Knapp wir die Arion-Sage wiedergegeben (mit Verweis auf Albertus Magnus). Ihr folgt der Bericht über die ›Trauerarbeit‹ der Delfine, wenn einer ihrer Artgenossen gefangen wird oder stirbt (nach Plinius) sowie die rührende Erzählung von der Freundschaft zwischen einem Knaben und einem Delfin in der Campania zu Zeiten des Augustus (nach Albertus). Abschließend wendet sich Konrad von Megenberg in einem eigenen Zusatz gegen den Vorwurf der Lüge von Seiten solcher Leser, die nur glauben wollen, was sie gesehen haben, sich aber auch die größten Lügen von Riesen und Recken anhören, die Konrad je gehört hat. Den bei Thomas von Cantimpré eigens aufgeführten Nildelfin, der erfolgreich gegen → Krokodile kämpft, hat Konrad wie schon Thomas III nicht.

Ausg.: Konrad von Megenberg: Das ›Buch der Natur‹, ed. R. LUFF/G. STEER, 2003, 261f.; Thomas von Cantimpré: Liber de naturis rerum. Redaktion III (Thomas III), ed. Projektgruppe B2 des SFB 226 Würzburg-Eichstätt unter Leitung von B. K. Vollmann, [1992, masch.], 80f.

Sabine Obermaier

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Delfin – E.4 – III.1 Fabel

Die offenbar als Kritik an den Delfin-Reiter-Geschichten konzipierte äsopische Fabel → Affe und Delfin (DICKE/GRUBMÜLLER, Nr. 15) wird erst im 16. Jahrhundert in der deutschsprachigen Fabelliteratur rezipiert: bei Johannes Posthius/Hartmann Schopper (Nr. 88) sowie im Affenspiel des Georg Nigrinus [beide unediert]; vgl. aber die Pañcatantra-Fabel Affe und Schildkröte, die mit dem Buch der Beispiele Ende 15. Jh. eine Übersetzung ins Deutsche findet. Auch die äsopische Fabel Kleiner Fisch und Delfin (DICKE/GRUBMÜLLER, Nr. 139) wird erst im 16. Jahrhundert rezipiert: bei Johann Aldelphus Muling [unediert], Burkhard Waldis (3,35; Quelle nach LIEB: Dorpius, Nr. 263) und Johannes Posthius/Hartmann Schopper (Nr. 30) [unediert]. Die späte Rezeption der antiken Delfin-Fabeln dürfte seinen Grund darin haben, dass eine Vermittlung über die sonst übliche Phädrus- bzw. Romulus- sowie Babrios- bzw. Avianus-Tradition fehlt.

Lit.: G. DICKE/K. GRUBMÜLLER: Katalog der Fabeln des Mittelalters und der frühen Neuzeit, 1987, Nr. 33-37, 150 [dort jeweils Hinweis auf die entsprechenden Ausgaben); L. LIEB: Erzählen an den Grenzen der Fabel, 1996, 72f. und Anhang, 302.

Sabine Obermaier

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Delfin – E.4 – IV.1 Narrative Texte

Epos/Roman: In Konrads von Würzburg Trojanerkrieg wird im Rahmen der Jugendgeschichte des Achill erzählt, wie die Meeresgöttin Thetis, selbst auf einem Delfin reitend, ihren Sohn Achill in einer durchsichtigen ledernen Hülle, die von zwei Delfinen getragen wird, auf die Insel Scyros zu Lycomedes und seinen Töchtern bringen lässt, um ihn vor dem Kriegsdienst gegen Troja zu bewahren (Deidamia-Episode, 13398-17321, hier: 14024-14041). Konrads Quelle für diese Episode ist die Achilleis des Statius. Der Delfin ist in dieser Episode nur wunderbares Transport- und Reittier (auch wenn er damit indirekt Leben retten darf). Für den erwachenden Achill bilden die ihn durch das Wasser ziehenden zwêne vische [!] wilde (14152) einen erschreckenden Anblick (neu gegenüber Statius). Als wunder gehören die Delfine zur Lebenswelt seiner Mutter, die jedoch nicht seine (kriegerisch bestimmte) Welt ist. Von den anderen Trojaromanen erzählt nur noch das auf Konrad von Würzburg beruhende Elsässische Trojabuch (Buch von Troja I) diese Episode (Kap. 21) in analoger Weise; sonst bleiben auch dort, wo im Kontext der Heimholung Achills auf diese Episode angespielt wird oder die Episode gar ganz erzählt wird (so bei Füetrer), die Delfine unerwähnt.

Im Alexander Rudolfs von Ems werden die aufgerichteten Lanzen des angreifenden Perserheeres mit rûch als ein wildez merswîn (11664) umschrieben. Auch die hürnenen Borsten des Meerwunders, das Wigamur entführt, seien einem merswein (Wigamur, 175) gleich. Ob hier tatsächlich an einen Delfin zu denken ist, ist fraglich.

Kleinepik: Bei Burkhard Waldis findet sich eine Bearbeitung der Arion-Sage (2,30; Quelle nach LIEB: Dorpius Nr. 139 (37b), der hier Aulus Gellus folgt, oder Brant/Adelphus Nr. 105, Bl. 160af. oder die bei Brant abgedruckte Fassung Ovids).

Lit.: L. LIEB: Erzählen an den Grenzen der Fabel, 1996,. 72f. und Anhang, 291.

Legenden: [Ob es auch deutschsprachige Versionen der Legenden von Martinianus, Kallistratus, Arianus [= Arion?], Lukian und Petronella (wirklich mit Delfin?) gibt, in deren Vita der Delfin jeweils eine Rolle spielt, muss ich noch prüfen.] Delfinähnliche Retterfunktion erfüllt auch der → Wal (?) Iasconius in der Brandan-Legende.

Sabine Obermaier

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Delfin – E.4 – IV.2 Lyrische Texte

In der Lyrik des Mittelalters kommt der Delfin meines Wissens vor dem Meistersang nicht vor. Erst die Augsburger Meistersänger Martin Dürr und Georg Holzbock sowie die Nürnberger Meistersänger Ambrosius Metzger und Hans Sachs verarbeiten die Arion-Sage zu Meisterliedern (RSM: 2Dürr/28 [Quelle: Plinius 9,28; Lehre: Falschheit wird bestraft]; 2Hoz/114 [Quelle: Herodot 1,23f.; Lehre: Untreue trifft ihren eigenen Herrn]; 2Met/316 [Quelle: Herodot 1,24]; 2S/798 [Quelle: Sabellicus 10,8; Kontext: Drey histori der musica zusammen mit Orpheus- und Timotheus-Sage]). Die klassischen Dankbarkeitsgeschichten finden sich überdies bei Metzger (RSM 2Met/157 [Quelle: Aelianus 2,6]; 2Met/588 [Koirianus-Sage; Quelle: Aelianus 8,3]). Delfin-Freundschaftssagen verarbeiten Metzger und Sachs (RSM 2Met/154* [Quelle: Fabianus, Plinius 9,24; Exempel für die moralische Überlegenheit der unvernünftigen Tiere] und 203* [Quelle: Theophrast, Aelianus 6,15; Lob der Freundschaft]; 2S/1295 [Hyacinthus und Delfin Simon; Quelle: Plinius 9,24f.; Lehre: also hat got die lieb, treu und begier / uns zu einem exempel pflanzt / in vögel fisch und tier; Textausgabe: Goedecke I, Nr. 62). Basierend auf Ovid, Metam. 15,214-236, findet sich bei Metzger noch ein Meisterlied, das die Verwandlung in einen Delfin zum Thema hat (RSM 2Met/189/153*). Im gelehrten Meistersang werden die antiken Quellen demnach wieder produktiv verarbeitet.

Lit.: Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, Bd. 6ff., ed. H. BRUNNER/B.WACHINGER, 1990ff.

Sabine Obermaier

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