PAPAGEI – Deutsche Literatur

Papagei – E.4 – IV.1 Narrative Texte

Sowohl im Straßburger Alexander (V. 5110-5112) als auch im Basler Alexander (V. 3618f.) tauchen Papageien im Rahmen eines ‘Geschenke-Katalogs’ auf, der darüber informiert, welche Präsente Königin Candacis Alexander zukommen lässt. In Johann Hartliebs Prosafassung des Alexanderromans ist dieser Geschenke-Katalog zwar auch enthalten, hier ist jedoch lediglich von ‘zweihundert sprachbegabten Vögeln’ die Rede (Z. 3786f.), ohne dass eine genauere Bestimmung der Vogelart vorgenommen wird.
Im Tristan Gottfrieds von Straßburg findet sich ein Vergleich, der der blonden Isolde die Eigenschaften eines Papageis attestiert (V. 10995: gestreichet alse ein papegân). Der Vergleich steht innerhalb einer ganzen Reihe von (Raub-)Vogel-Vergleichen, denn Isolde wird ebenso mit einem Sperber und einem Falken in Verbindung gebracht. Das Adjektiv gestreichet kann hier mit ʻreinlich aufgeputzt’, ʻadrett’ übersetzt werden. Es betont also die fein herausgeputzte äußere Erscheinung, die Isolde und dem Papagei gemeinsam ist und die die innere Reinheit beider andeutet. Ein ähnlicher Vergleich lässt sich im Trojanerkrieg Konrads von Würzburg finden. Hier wird Helena von Troja mit einem siticus verglichen (V. 20297-20301).
Als sprechender Schönheitspreis, der lautstark seine Meinung kundtut, wird der Papagei im Wigalois Wirnts von Grafenberg in Szene gesetzt (V. 2514-2522; 2589-2594; 2766-2782). Darüber hinaus zieren Papageien die Haube im Helmbrecht Wernhers des Gartenære (V. 18f.). In dem nachklassischen Artusroman Daniel von dem blühenden Tal des Stricker findet der Papagei gleich fünfmal Erwähnung, wobei vier verschiedene Möglichkeiten der Nutzung des Vogels thematisiert werden. Da von seinem Gefieder ein starker Glanz ausgehe, könne man sich darin mindestens ebenso gut anschauen wie in einem Spiegel (V. 557). Außerdem sei es möglich, mit diesem Glanz in der Nacht eine ganze Kemenate zu erhellen (V. 569f.). Weiterhin könne das Tier als ‘Sonnenschirm’ dienen, wenn es über dem Haupt einer Dame herflöge (V. 562-564). Es verfüge auch über ein ganz vorzügliches Gesangstalent, von dem es Tag und Nacht Kostproben gebe (V. 571f.).

Ausg.: Johann Hartlieb: Alexander, ed. R. Pawis, 1991; Gottfried von Straßburg: Tristan, ed. R. Krohn, 2008; Konrad von Würzburg: Der Trojanische Krieg, ed. A. von Keller, 1858; Pfaffe Lambrecht: Alexanderroman, ed. E. Lienert, 2007; Pfaffe Lambrecht: Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander, ed. R. M. Werner, 1881; Der Stricker: Daniel von dem blühenden Tal, ed. M. Resler, 2015; Wernher der Gartenaere: Helmbrecht, ed. H. Brackert et al., 1972; Wirnt von Grafenberg: Wigalois, ed. J. M. N. Kapteyn, übers., erläutert und mit einem Nachwort versehen von S. Seelbach und U. Seelbach, 2014.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

 

Papagei – E.4 – I. Terminologisches

In mittelhochdeutschen und frühneuhochdeutschen Texten lassen sich zum einen die von psittacus abgeleiteten, eingedeutschten Formen sittekus (Konrad von Megenberg, BdN 3, B 63) und sittich (Arigo, Decameron von Heinrich Steinhöwel, 403, Z. 16; Reisebericht Hans Tuchers, 562, Z. 1-4) finden. Zum anderen existieren aber auch Benennungen wie papegan (Gottfried von Straßburg, Tristan, V. 10995), papageÿ (Reisebericht Hans Tuchers, 562, Z. 1-4), papagalli (Ludovico de Varthema, Die Ritterlich und lobwirdig rayß […], 91) und papegoge (Reisebericht Marco Polos, 377) sowie papigalvogel (Reisebericht Sebald Rieters, 145).
Die Varianten papune (Albrecht von Scharfenberg, Jüngerer Titurel, Str. 6112, 1) und Babiân (Stricker, Daniel von dem blühenden Tal, V. 550; 670; 3001; 6601; 8207) sind vermutlich von der Bezeichnung papegan abgeleitet und jeweils nur innerhalb eines einzigen Werks belegt.

Ausg.: Albrecht von Scharfenberg: Jüngerer Titurel, ed. K. A. Hahn, 1842, Arigo: Decameron von Heinrich Steinhöwel, ed. A. von Keller, 1860; Gottfried von Straßburg: Tristan, ed. F. Ranke, 1994; Konrad von Megenberg: Das Buch der Natur, ed. R. Luff / G. Steer, 2003; Ludovico de Varthema: Die Ritterlich und lobwirdig rayß […], 1515. Auf: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00011589/images. Zugriff am 02.01.2018 um 17:42 Uhr; Marco Polo: Die mitteldeutsche Bearbeitung des „Divisament dou monde“ nach der Adamonter Handschrift Cod. 504, ed. N. Steidl, 2010; Sebald Rieter (d. J.): Das Reisebuch der Familie Rieter, ed. R. Röhricht/H. Meisner, 1884; Hans Tucher: Die 'Reise ins Gelobte Land' Hans Tuchers des Älteren (1479-1480), ed. R. Herz, 2002.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – E.4 – IV.3 Diskursive Texte

Auch in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reiseberichten findet der Papagei Erwähnung. Sowohl im Niederrheinischen Orientbericht, als auch in den Itineraren Hans Tuchers, Sebald Rieters, Felix Fabris, Konrads von Grünemberg und Hans Schiltbergers wird über Papageien berichtet. Darüber hinaus enthalten auch die deutschen Übertragungen der Reiseberichte Jean de Mandevilles, Marco Polos und Ludovico de Varthemas Informationen über das Tier. Zwar wird das Federkleid des Papageis auch hier, ebenso wie in den Enzyklopädien (→ C. II.2), oftmals als ʻgrün mit rotem Halsbandʼ beschrieben, es zeigt sich jedoch, dass auch schneeweiße Exemplare zunehmend wichtiger werden (Fabri, 375; De Varthema, 101). Des Weiteren werden bunte Papageien genannt, an denen sogar sieben verschiedene Farben zu bestaunen seien (De Varthema, 101). Die Beschreibungen des schneeweißen Gefieders auf der einen Seite sowie die der Farbvielfalt auf der anderen lassen die Außergewöhnlichkeit der Tiere erkennen. Zudem wird die Betonung oftmals auf ihre große Schönheit gelegt. Diese Informationen dürften der Rechtfertigung der exorbitant hohen Preise gedient haben, denn vor allem schneeweiße Exemplare konnten weit über 50 Dukaten kosten (Fabri, 375); dabei handelt es sich wahrscheinlich um den aus den Fernen Orient-Inseln importierten Kakadu. Dass nicht nur der Kauf eines Papageis teuer sein konnte, ist dem Itinerar Sebald Rieters zu entnehmen, denn der Autor macht Angaben zu den vergleichsweise hohen Zollabgaben, die in Ägypten pro Papagei zu entrichten gewesen seien (Rieter, 145).
Die tradierten Proprietäten ʻharter Kopf’, ʻharter Schnabel’, ʻbreite Zunge’ und ʻrotes Halsband’ sowie die ʻunterschiedliche Anzahl an Zehenʼ werden auch in den Reiseberichten genannt (→ B.1; → C. II.2). Zudem findet in Ludovico de Varthemas Bericht erstmals die Reis-Vorliebe des Vogels Erwähnung (De Varthema, 91). Diese mache das Tier zu einer ernstzunehmenden Gefahr für alle Reisfelder und habe zur Folge, dass man Papageien in Reisanbauregionen keine große Wertschätzung entgegenbringe.
Indien, Arabien und das Reich des Großkhans gelten als Herkunftsländer des Tiers. Außerdem wird eine ägyptische Insel namens Segetha genannt, auf der man die Vögel im September fange und sie anschließend zum Verkauf nach Kairo abtransportiere (Tucher 562, 1-4; Fabri, 350). Es wird angenommen, dass die Höhe des Lebensraumes entscheidend ist für die Größe und Schönheit der Papageien (Niederrheinischer Orientbericht, 78).

Ausg.: F. Fabri: EIgentlich beschreibung der hin vnnd wider farth zu dem Heyligen Landt gen Jerusalem […]. Auf: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0007/bsb00070765/images. Zugriff am 30.11.2017 um 16:43 Uhr; Konrad von Grünemberg: Konrad von Grünembergs Pilgerreise ins Heilige Land 1486, ed. A. Denke, 2011; Mandeville: Sir John Mandevilles Reisebeschreibung. In deutscher Übersetzung von Michael Velser. Nach der Stuttgarter Papierhs. Cod. HB V 86, ed. E. J. Morrall, 1974; Marco Polo: Die mitteldeutsche Bearbeitung des „Divisament dou monde“ nach der Adamonter Handschrift Cod. 504, ed. N. Steidl, 2010; Ein Niederrheinischer Bericht über den Orient, ed. R. Röhricht/H. Meisner, 1887, 1-86; Sebald Rieter (d. J.): Das Reisebuch der Familie Rieter, ed. R. Röhricht/H. Meisner, 1884; Schiltberger, Hans: Hans Schiltbergers Reisebuch nach der Nürnberger Handschrift, ed. V. Langmantel, 1885. Auf: https://archive.org/details/hansschiltberge01langgoog. Zugriff am 30.11.2017 um 16:57 Uhr; Hans Tucher: Die 'Reise ins Gelobte Land' Hans Tuchers des Älteren (1479-1480), ed. R. Herz, 2002; Ludovico de Varthema: Die Ritterlich und lobwirdig rayß des gestrengen und über all ander weyt erfarnen ritters und Lantfarers herren Ludowico vartomans von Bolonia Sagent von den landen Egypto Syria von bayden Arabia Persia Jndia Und Ethiopia von den gestalten syten und dero menschen leben und gelauben. Augsburg, 1515. Auf: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00011589/images. Zugriff am 30.11.2017 um 16:45 Uhr.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – E.4 – IV.2 Lyrische Texte

Der als sittich bezeichnete Papagei wird in der dritten Strophe des um 1200 entstandenen Lied VI a Heinrichs von Morungen (MF 127,1) genannt. In dem Lied, das mit West ich, ob ez verswîget möhte sîn einsetzt, spricht ein lyrisches Ich von seiner heimlichen Liebe zu einer Dame und erklärt, dass es die Geliebte den Rezipienten vorstellen würde, wenn es denn nur sicher sein könnte, dass alles weiterhin im Verborgenen bliebe. Daraufhin wird deutlich, dass es sich um den Casus der hohen Minne handelt, denn das lyrische Ich bedauert, dass die Minnedame – während der langen Zeit, in der es sich um sie bemüht habe – nicht den ʻLernerfolgʼ gezeigt habe, über die Liebe sprechen zu können. Seiner Ansicht nach hätten ein Papagei oder ein Star diese Sprachleistung innerhalb desselben Zeitraums erbracht (Str. 3, V. 1f.: Waer ein sitich alder ein star, die mehten sît / gelernet hân, daz si spraechen minnen).
Auch im Angerlied Kristans von Hamle wird der Papagei erwähnt. Direkt in den ersten beiden Versen heißt es Ich wolde, daz der anger sprechen solde / als der sitich in dem glas (Angerlied, V. 1f.) Das lyrische Ich wünscht sich, die Wiese, über die kürzlich seine Minnedame geschritten sei, solle sprechen als der sitich in dem glas (Str. 1, V. 2) also ʻwie der Papagei im Spiegel’. Der von Heyne geäußerte Vorschlag, das Wort glas (V. 2) mit ʻPapageienbehälterʼ zu übersetzen (Heyne, 173), scheint verfehlt, da diese Übersetzung die antiken und mittelalterlichen naturkundlichen Vorstellungen vom Papagei und dessen Zuneigung zu seinem eigenen Spiegelbild nicht berücksichtigt (→ C. II.2). Offenbar stellen die ersten beiden Verse im Angerlied eine Anspielung auf eine besondere Methode des Sprachlerntrainings dar; eine Methode, bei der man das Tier angeblich vor einen Spiegel setzte und ein Mensch sich hinter dem Spiegel verbarg, um dem Papagei etwas vorzusprechen. Der Papagei glaube sich in dieser Situation mit einem sprechenden Artgenossen konfrontiert, versuche diesen nachzuahmen und lerne auf diese Weise schneller sprechen.
In dem Marienlob Die Goldene Schmiede Konrads von Würzburg wird der Papagei als ein Vogel dargestellt, dessen Gefieder weder mit Regen noch mit Tau in Berührung kommt (Die Goldene Schmiede, V. 1850-1853). Diese Vorstellung erlaubt einen Vergleich des Tiers mit der Heiligen Jungfrau, denn ebenso wie der Papagei frei von Feuchtigkeit bleibt, bleibt Maria unbefleckt und frei von jeder Sünde.

Ausg.: Heinrich von Morungen: Lieder, ed. H. Tervooren, 2003; Kristan von Hamle: Angerlied, in: KLD I, Nr. 30; Konrad von Würzburg, Die goldene Schmiede, ed. E. Schröder, 1969.

Lit.: M. Heyne: Das deutsche Wohnungswesen von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert (= Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert, Bd. 1), 1899; E.-M. Hochkirchen: Präsenz des Singvogels im Minnesang und in der Trouvèrepoesie, Heidelberg 2015, 78-82; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – E.4 – II.2 Tierkunde

Im BdN Konrads von Megenberg werden zahlreiche Angaben zum Papageien gemacht die bereits in den antiken naturkundlichen Texten sowie in den lateinischen Enzyklopädien, insbesondere in seiner Vorlage (Thomas III) zu finden sind (KM, BdN (→ B.1; → C.II.2). So ist etwa auch im BdN nachzulesen, der Papagei stamme aus Indien, er sei von grüner Farbe und weise ein rotes Halsband auf. Er verfüge zudem über eine breite Zunge, die es ihm ermögliche, menschenähnlich zu sprechen. Der Vogel grüße Menschen von Natur aus, und sowohl sein Schnabel als auch sein Kopf zeichneten sich durch besondere Härte aus. Das Tier lerne am besten innerhalb der ersten beiden Lebensjahre und könne durch Schläge auf den Kopf ‒ die ihm mit Hilfe einer kleinen Eisenstange beigebracht würden ‒ konditioniert werden. Er führe seine Nahrung mit dem Fuß zum Schnabel und eine Unterscheidung zwischen edlen und unedlen Papageien sei aufgrund der unterschiedlichen Anzahl der Zehen möglich. Während edle Papageien fünf Zehen an jedem Fuß hätten, besäßen unedle Exemplare lediglich drei. Auch Konrad von Megenberg erklärt, der Vogel sei auf dem Berg Gelbœ beheimatet, auf dem es so gut wie nie regne, denn Regenwasser sei tödlich für das Tier. Es reinige sein Gefieder mit dem Schnabel, trinke gerne Wein und werde davon ausgelassen und erfreue sich in unkeuscher Weise am Anblick junger Frauen.

Ausg.: Konrad von Megenberg: Das ›Buch der Natur‹, ed. R. Luff/G. Steer, 2003.

Stephanie Mühlenfeld

Papagei – E.4 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Da die älteste griechische Physiologus-Redaktion keinen Eintrag zum Papagei enthält, sind auch keine Einträge in die lateinsiche Fassung b gelangt; und deswegen ist der Papagei weder in der Dicta-Version, noch im Physiologus Theobaldi enthalten, so dass eine deutschsprachige Rezeption nicht möglich war.

Stephanie Mühlenfeld