Panther

Panther – E.4 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Dem Panther wird sowohl in den deutschsprachigen Physiologus-Versionen, die auf der sog. Dicta-Version basieren, ein Kapitel gewidmet als auch in denjenigen, die in der Physiologus Theobaldi-Tradition stehen. Ebenso wie im Middle English Physiologus (→ E.2.II.1), wird in allen deutschsprachigen Fassungen gesagt, beim Panther handle es sich um ein ausgesprochen schönes Tier. Im Physiologus Theobaldi deutsch wird an dieser Stelle sogar der Superlativ verwendet. Weiterhin haben alle Fassungen gemeinsam, dass stets der Drache als Feind des Panthers Erwähnung findet. Der Hauptunterschied zwischen den Physiologus-Fassungen, die auf der Dicta-Version basieren, und denjenigen, die in der Physiologus Theobaldi-Tradition stehen, liegt in der Beschreibung der Ernährungsgewohnheiten des Tiers. Im Wiener Prosa-Physiologus und im Millstätter Reim-Physiologus (beide stehen in der Dicta-Tradition) wird der Panther als karnivores Tier dargestellt, das auf die Jagd geht und sich von den erlegten Beutetieren ernährt. Im Althochdeutschen Physiologus werden keine Angaben zur bevorzugten Nahrung des Tiers gemacht. Im Physiologus Theobaldi deutsch hingegen ist nachzulesen, der Panther stille seinen Hunger mit manigfeltigen würczen vnd kreütern. Eine weitere Abweichung lässt sich bei der Beschreibung der Fellfärbung des Tiers konstatieren: während im Millstätter Reim-Physiologus gesagt wird, das Tier sei bunt, wird im Physiologus Theobaldi deutsch erklärt, es sei schwarz mit weißen Einsprengseln.
In allen deutschsprachigen Physiologus-Fassungen lesen wir, dass der Panther, nachdem er seinen Hunger gestillt habe, sich für die Dauer von drei Tagen in seine Höhle zurückziehe, um dort Ruhe zu finden und zu schlafen. Am dritten Tag stehe er wieder auf und stoße lautstarke Rufe aus. Beim Öffnen des Mauls verströme er einen so wunderbaren Duft, dass sich alle anderen Tiere augenblicklich von den Rufen und dem Duft angezogen fühlten. Sie bemühten sich daraufhin eilig und eifrig, dem Panther zu folgen. Einzig der Drache verabscheue die Rufe des Panthers und verkrieche sich furchtsam in sein Erdloch.
Im Rahmen der Exegese wird in allen Versionen erklärt, der schöne Panther sei Jesus Christus, der am dritten Tage von den Toten auferstanden sei. Die Tiere, die zum Panther eilen und ihm folgen, bedeuteten die gläubigen Christen, die sich nach dem Wort Gottes sehnten, und der Drache sei gleichbedeutend mit dem Teufel.

Ausg.: Der altdeutsche Physiologus. Die Millstätter Reimfassung und die Wiener Prosa (nebst dem Lateinischen Text und Dem Althochdeutschen Physiologus), ed. F. Maurer, 1967 (= Altdeutsche Textbibliothek Nr. 67); Physiologus Theobaldi Deutsch, ed. D. Schmidtke, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Bd. 89 (1967), 270-301, hier 300f.

Lit.: S. Mühlenfeld, Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Panther – C. – II.2 Tierkunde

Der Panther wird in den meisten Quellen als ein buntes Tier beschrieben, dessen Fell von kleinen, augenähnlichen, verschiedenfarbigen Flecken gekennzeichnet sei [Isidor von Sevilla, Etymologien 12, 8-9 (= IS); Alexander Neckam, De naturis rerum 2, 133 (= AN); Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum 18, 80 (= BA); Thomas von Cantimpré, Liber de natura rerum 4,87,1 ff. (= TC)]. Jene Flecken werden beinahe immer als gelb, rot, schwarz und weiß beschrieben.
In Bezug auf die Wesensart und das Temperament des Tiers widersprechen sich die Aussagen, die in mittelalterlichen Enzyklopädien zu finden sind, zum Teil. Häufig ist zu lesen, beim Panther handle es sich um ein wildes, gefährliches Tier, das andere Tiere zerfleische. Gleichzeitig lässt sich in Isidors Etymologien eine Pseudoetymologie finden, die diesen Angaben zunächst entgegen zu stehen scheint. Isidor erläutert nämlich, der Grund für die Benennung des Tiers mit ‘Pantherʼ sei darin zu sehen, dass das Tier mit allen anderen Tieren befreundet sei. Die einzige Ausnahme stelle der Drache dar, denn Panther und Drache seien verfeindet. Diese Angaben Isidors werden von mehreren mittelalterlichen Autoren tradiert [Rabanus Maurus, De rerum naturis 8, 1 (= RM); Hildegard von Bingen, Physica 7, 7 (= HB); Vinzenz von Beauvais, Speculum naturale 19,99 (=VB); BA; TC)]. Ebenfalls tradiert wird die Erzählung von der in Not geratenen Panthermutter, die bereits in Pliniusʼ NH zu finden ist (VB; BA; → B. 1). Darüber hinaus werden auch Informationen über die äußeren Merkmale des Panthers aus antiken Quellen übernommen. So avanciert etwa der furchteinflößende Panther-Kopf zum Gegenstand der Ausführungen (AN; BA; TC) und auch der mondförmige Fleck, der auf der Schulter des Tiers zu sehen sei, ist mittelalterlichen Autoren bekannt (VB; Albertus Magnus, De animalibus 22, 90 (=AM); TC). Darüber hinaus wird die große Schönheit des Tiers betont (BA). In Alexander Neckams De naturis rerum 2, 133 werden außerdem Angaben dazu gemacht, wie der Panthers religiös-heilsgeschichtlich zu deuten ist. Der furchteinflößende Panther-Kopf wird hierbei als eine Allegorie auf das Leben im Inklusorium verstanden. Da dieses eine strenge Disziplinierungsmaßnahme darstelle, wolle man Novizen zu Beginn nicht damit verschrecken. Ebenso wie der Panther die anderen Tiere nicht direkt mit seinem Kopf konfrontiere, finde zunächst keine Konfrontation der Novizen mit der Maßnahme des Inklusoriums statt. Das wohl wichtigste Panther-Merkmal, der gute Duft, wird vornehmlich als Köder dargestellt, der dazu diene, Beute anzulocken (AN; VB; BA; TC). Während dem süßen Atem in den verschiedenen Physiologus-Versionen heilsgeschichtliche Exegese widerfährt, ist dies in den lateinischsprachigen enzyklopädischen Quellen nicht der Fall.
Auch der Genderaspekt, dem bereits in antiken Quellen Beachtung zukommt, wird thematisiert. Diesbezüglich wird von den meisten Autoren die einmalige Gebärfähigkeit der Pantherin (IS; RM; AN; VB; BA; TC) betont. Vinzenz von Beauvais erwähnt zudem, das Pantherweibchen besitze vier Zitzen am Bauch ‒ eine Information, die schon in Aristotelesʼ HA genannt wird (HA 2, 500a 28; → B. 1).
Auch über die Ernährung des Tiers lassen sich Informationen finden. In den meisten Quellen wird der Panther als carnivores Tier beschrieben, das von seiner Jagdbeute lebt (BA; TC). Hildegard von Bingen erklärt in ihrer Physica zudem, dass die Nahrung des Panthers nicht in allen Fällen rein sei. Möglicherweise basiert diese Aussage auf der antiken Vorstellung von der Pantherfalle (→ B. 1), die in Hildegards Werk zwar nicht explizit erwähnt wird, jedoch von Alexander Neckam und Vinzenz von Beauvais beschrieben wird. In Bezug auf die Herkunft des Panthers wird gesagt, er sei in Afrika (VB), Hyrkanien (AN; VB) und Syrien (VB) beheimatet.

Ausg.: Albertus Magnus: De animalibus, ed. H. Stadler, 1916-1920; Alexander Neckam: De naturis rerum libri duo, ed. T. Wright, 1863; Bartholomaeus Anglicus: De rerum proprietatibus, 1601, ND 1964; Hildegard von Bingen: Heilsame Schöpfung ‒ Die natürliche Wirkkraft der Dinge. Physica. Vollständig neu übersetzt und eingeleitet von Ortrun Riha, ed. Abtei St. Hildegard, 2012; Hrabanus Maurus: De rerum naturis, ed. J. P. Migne, 1852; Isidorus: Etymologiarum sive Originum libri XX, ed. W. M. Lindsay; Thomas von Cantimpré: Liber de natura rerum, ed. H. Boese, 1973; Vinzenz von Beauvais, Speculum naturale 1624, ND 1964.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

PANTHER – Lateinische Literatur

I. Terminologisches

 

II. Tierallegorese und Tierkunde

1. Physiologus, Bestiarien
2. Tierkunde
3. Gebrauchsschrifttum

 

III. Tierdichtung

1. Fabel
2. Tierepos

 

IV. Literatur

1. Narrative Texte
2. Lyrische Texte
3. Diskursive Texte
(4. Dramatische Texte)

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Panther – B.1 Antike Zoologie

In antiken Quellen findet keine klare Trennung zwischen Panther, Leopard und Gepard statt. Als eines der wichtigsten Panther-Merkmale, das auch ins Mittelalter tradiert wird, gilt der gute Duft, den das Tier verströme (HA 9, 6 612a 14; NH 8, 23; Plutarch, De sollertia animalium 24, 976 D; Solinus, De mirabilibus mundi 17, 8 ) und den es als Köder einsetze. Der Panther wisse durchaus um die Anziehungskraft, die von besagtem Duft ausgehe und begebe sich in ein Versteck, um von dort aus seinen Beutetieren aufzulauern. Verführt durch den vorzüglichen Duft, näherten sich ihm diese so weit an, dass es ihm sogar gelänge, den Hirsch zu erlegen (HA 9, 6 612a 14).
Aristoteles geht zudem auf die Wesensunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Exemplaren ein (HA 8, 608a 34). Weibliche Panther zeichneten sich nämlich gegenüber ihren männlichen Artgenossen durch größere Tapferkeit aus. Des Weiteren werden in der HA auch Angaben über die Jungtiere gemacht (HA 6, 580a 25). Die maximale Größe eines Wurfes liege bei vier Jungen, die alle blind geboren würden. Der Anzahl an Jungtieren entsprechend, habe das Pantherweibchen vier Zitzen an seinem Bauch (HA 2, 500a 28). Außerdem erwähnt Aristoteles eine Pflanze, die beim Panther dieselbe Wirkung entfalte wie eine Droge. Sie veranlasse das Tier dazu, nach menschlichen Exkrementen zu suchen, da diese die Beschwerden linderten (HA 8, 612a 7). Menschen nutzten diese Schwäche des Tiers für die Pantherjagd aus. Dazu würde von den Jägern ein mit Exkrementen gefülltes Behältnis an einem Baum befestigt. Daraufhin entferne der Panther sich nicht mehr von dem jeweiligen Ort und springe solange an dem Baum hoch, bis er sterbe. Diese für den Panther tödliche Giftfalle findet auch bei Plinius und Solinus Erwähnung (NH 8, 100; Solinus, De mirabilibus mundi 17, 8). Über das Gebiss des Panthers ist in der HA nachzulesen, es bestehe aus gezackten Zähnen ‒ ebenso wie dies bei Löwen und Hunden der Fall sei (HA 2, 501a 17). Die Pfoten des Panthers seien mehrfach gespalten. Daher besitze das Tier mehrere Zehen (HA 2, 499b 8). In Bezug auf die Herkunft des Tiers heißt es, der Panther sei in Asien verbreitet, nicht jedoch in Europa (HA 7, 606b 16). Er wird ‒ ebenso wie der Wolf ‒ zu denjenigen Tieren gerechnet, die immer wild seien (HA 1, 488a 28).
Plinius berichtet in der NH 8, 21 von einem gewissen Demetrios, der eine Begegnung mit einem weiblichen Panther gehabt habe. Das Tier habe sich bemüht, Demetrios zu Hilfe zu holen, da die Jungtiere in eine Grube gefallen gewesen seien. Nach der Rettung der Jungen habe sich das Pantherweibchen überaus dankbar gezeigt.
Hier wird erkennbar, dass auch Plinius eine klare Differenzierung zwischen männlichen und weiblichen Panther-Exemplaren vornimmt. Dabei gilt das Augenmerk der Fürsorglichkeit und Klugheit des Pantherweibchens. Darüber hinaus werden in der NH auch Angaben zum Äußeren des Tiers gemacht (NH 8, 23). Der Panther und der Tiger seien ‘mannigfach gefleckt’ und der Panther sei gekennzeichnet durch die Wildheit seines Kopfes. Außerdem sei auf der Schulter des Tiers ein mondähnlicher Fleck zu sehen, der wachse, die Form einer Scheibe annehme und schließlich die Umrisse von Hörnern aufweise. Die größte Verbreitung männlicher gefleckter Exemplare sei in Afrika und Syrien zu bemerken. Sie würden auch ‘Parder’ genannt, und es sei verschiedentlich die Ansicht geäußert worden, die Fellfärbung eines Panthers sei heller als die eines Parders. Weitere Unterschiede habe er (Plinius) bisher jedoch nicht bemerkt. Weiterhin erklärt Plinius, Hyänen seien für den Panther derart furchteinflößend, dass ein Pantherfell, welches gegenüber dem Fell einer Hyäne aufgehängt werde, alle Haare verliere (NH 28, 93).
Laut Solinus sind Panther in Hyrkanien (heute Nordost-Iran) sehr verbreitet (De mirabilibus mundi 17, 8). Das Fell des Tiers weise Kreise von unterschiedlicher Farbe auf, und das Panther-Maul versetze andere Tiere in Schrecken. Daher versuche der Panther stets, sein Haupt vor seinen Beutetieren zu verbergen, um sie leichter anlocken zu können.

Ausg.: Aristoteles: Historia animalium, ed. D. M. Balme, prepared for publication by A. Gotthelf, 2011; Plinius: Naturalis historia, ed. R. König/G. Winkler, 1973-2007, Bücher 11 und 28; C. Julius Solinus: Collectanea rerum mirabilium, ed. T. Mommsen, 1895, repr. 1958.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017; J. Walter: Der Philosoph im Pantherfell. Aelian, Natura animalium 5,54 vor dem Hintergrund antiker Prätexte und moderner Tierethologie, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 25 (2015), 173-202.

Stephanie Mühlenfeld

Panther – E.4 – IV.3 Diskursive Texte

Der Panther findet sowohl im Niederrheinischen Orientbericht (ed. Röhricht / Meisner, 71) als auch im Itinerar Jean de Mandevilles Erwähnung (ed. Morrall, 130). In anderen Reiseberichten, wie beispielsweise der deutschen Fassung von Felix Fabris Evagatorium wird das Tier nicht thematisiert. Dies könnte daran liegen, dass in diesen Werken der Leopard zum Erzählgegenstand erhoben wird und dass es auch gegen Ende des Spätmittelalters keine vereinheitlichte Differenzierung zwischen Panther, Leopard und Gepard gegeben zu haben scheint. Allein in den Bestiarien (→D.1.II.1) findet eine klare Unterscheidung zwischen dem positiven wohlriechenden, buntgefärbten und teufelfeindlichen Fabel-Panther einerseits und dem negativen teufelähnlichen, blutrünstigen fleckigen Leoparden andererseits statt.
Mandeville geht insbesondere auf das Pantherleder ein, das er als ein ganz außergewöhnliches fernöstliches Luxusgut darstellt. Das kostbare Leder sei nämlich im Palast des Großkhans zu finden. Der mächtige Herrscher sei im Besitz eines riesigen Saals, der nicht nur auf vierundzwanzig Säulen aus purem Gold gebaut sei, sondern auch ganz exzeptionelle Wandbehänge aus rotem Leder aufweise. Dieses Leder stamme von einem Tier, das die Einheimischen als phinchions bezeichneten. An dieser Stelle könnte man den berechtigten Einwand erheben, dass die Bezeichnung phinchions, deren Herkunft bislang ungeklärt ist, recht wenig Ähnlichkeit mit allen anderen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Panther-Benennungen aufweist. C. Henss macht darauf aufmerksam, dass das Tier lediglich in der Velser-Handschrift den Namen phinchions trägt. In allen anderen deutschsprachigen Versionen des Reiseberichts ließen sich die Benennungen phanterus, pachis oder pinchieuls finden (Henss, Die wunderbaren Reichtümer des Ostens [...], 97). Ein Indiz dafür, dass an dieser Stelle Pantherleder gemeint ist, ist in einer Eigenschaft zu sehen, die Mandeville den Wandbehängen attestiert. Von ihnen gehe nämlich ein wunderbarer Duft aus, der den ganzen Saal vor schlechter Luft bewahre (von dem gůtten schmack mag kain b=sser lufft nit kummen in den palast). Der vorzügliche Duft des Panthers, der auch in antiken Quellen sowie in mittelalterlichen Enzyklopädien und Bestiarien Erwähnung findet, ist also auch innerhalb von Mandevilles Reisebericht das entscheidende Merkmal des Tiers. Im Unterschied zu den genannten Quellen wird in dem Itinerar jedoch gesagt, der Duft gehe von der Haut des getöteten Tiers aus und nicht vom Atem eines lebenden Exemplars. Abschließend erklärt Mandeville, aufgrund des guten Duftes würden Panther im Reich des Großkhans von der Bevölkerung angebetet.
Auch im Niederrheinischen Orientbericht gilt das Hauptinteresse dem Fell des getöteten Tiers. Zuerst wird erklärt, der Panther sei ein kleines Tier und sein Fell sei von Reinlichkeit gekennzeichnet. Außerdem sei er so bunt wie ein Regenbogen. Adelige nutzten Pantherfelle gerne als Bettvorleger, denn dadurch würde alles Schlechte abgewehrt. Panther lebten ausschließlich in Indien und seien nicht bereit, etwas anderes zu sich zu nehmen als edle Kräuter. Auch im Niederrheinischen Orientbericht findet der vorzüglich duftende Atem des Tiers Erwähnung. Er gebe allen anderen Tieren Anlass, dem Panther zu folgen. Abschließend wird vom Zorn des Panthers berichtet, durch den das Tier zuweilen alle anderen Lebewesen (auch Drachen) in die Flucht schlage.

Ausg.: Ein Niederrheinischer Bericht über den Orient, ed. R. Röhricht / H. Meisner, 1887; Jean de Mandeville: Sir John Mandevilles Reisebeschreibung. In deutscher Übersetzung von Michael Velser. Nach der Stuttgarter Papierhs. Cod. HB V 86, ed. E. J. Morrall, 1974.

Lit.: C. Henss: Die wunderbaren Reichtümer des Ostens ‒ Funktionalisierung von Luxus und Reichtum in den deutsch-sprachigen Versionen von Mandevilles Reisen. In: Fremde - Luxus - Räume. Konzeptionen von Luxus in Vormoderne und Moderne, ed. G. Pailer, F. Schößler, J. Traulsen und J. Eming 2015, 85-108; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Panther – E.4 – IV.1 Narrative Texte

Der Panther findet in drei verschiedenen mittelalterlichen Fassungen des Alexanderromans Erwähnung. Im Straßburger- und im Basler Alexander, sowie in der Prosafassung Johann Hartliebs. Dabei lassen sich drei unterschiedliche Situationen konstatieren, in denen Alexander mit dem Tier konfrontiert wird.
Einerseits muss der Protagonist sich auf seinem Weg nach Indien gegen die Angriffe wilder Panther zur Wehr setzen (Hartlieb, Alexander, Z. 5899-5901). Andererseits werden sie innerhalb aller drei genannten Fassungen des Romans auch in einem ʻGeschenke-Katalogʼ aufgelistet, der darüber informiert, welche kostbaren Gaben Alexander von Königin Candacis zugesandt bekommt (Straßburger Alexander, V. 5095/5543-5145/5593; Basler Alexander, V. 3616; Hartlieb, Alexander, Z. 3796f.).
Darüber hinaus wird im Straßburger Alexander von einem besonderen Faszinosum im Palast der Candacis berichtet. Die Königin ist im Besitz eines exzeptionellen Hirschautomaten, der allerdings nicht bloß die Merkmale eines Hirschs aufweist, sondern auch pantherähnliche Züge erkennen lässt. Explizit wird gesagt, der Hirschautomat gebe Töne von sich, die der Stimme eines Panthers glichen und von dem Atem des künstlichen Tiers gehe ein herrlicher Duft aus, der sûzer den wîrouch ‚betörender als Weihrauch‘ sei (V. 5553-5581).
Im Apollonius von Tyrland Heinrichs von Neustadt wird zum einen von einem Panther berichtet und zum anderen von einem pantherähnlichen Tier, das den Namen Milgot trägt. Dem Milgot begegnet der Protagonist im Rahmen einer seiner Bewährungsproben im Orient (V. 6618-6636; 6953-6960; 7059-7065). Apollonius sitzt nach einem schweren Seesturm zunächst alleine auf einer Insel fest und glaubt sich verloren, als das pantherähnliche Tier erscheint und ihm Hilfe leistet. Die proprietates, die es rechtfertigen, hier von einer Pantherähnlichkeit zu sprechen, sind in den bunt schillernden Farben des Tiers zu sehen sowie in dem guten Duft, der von ihm ausgeht. Darüber hinaus erweist es sich als überaus hilfsbereit ‒ eine Panther-Eigenschaft, die bereits in der NH Erwähnung findet (→ B. 1).
Im weiteren Verlauf der Erzählung macht Apollonius jedoch auch noch Bekanntschaft mit einem anderen Tier, das explizit als panthyr bezeichnet wird (V. 10163-10178). Als der Protagonist auf den Panther trifft, befindet sich dieser gerade in einem erbitterten Kampf mit einem Drachen. Apollonius schlägt sich auf die Seite des Panthers und riskiert dabei sein eigenes Leben. Der Panther läuft währenddessen zu einer Wasserstelle, nimmt ausreichend Wasser in sein Maul und löscht den Brand, der von dem feuerspeienden Drachen entfacht wurde (V. 10201-10208). Auch in dieser Pantherszene wird ein Wissensbestandteil, der sowohl in mittelalterlichen naturkundlichen Quellen als auch in den Bestiarien zu finden ist, narrativ entfaltet ‒ nämlich die Feindschaft zwischen Panther und Drache (→E.4.II.1; →E.4. II. 2).
Auch im Wigalois Wirnts von Grafenberg wird ein Tier beschrieben, das Ähnlichkeiten mit einem Panther aufweist (V. 3851-3883). Es handelt sich dabei um das ʻschöne Tierʼ, in das sich der verstorbene König Lar von Zeit zu Zeit verwandelt. Was dieses Tier in gedankliche Nähe zu einem Panther rückt, sind die Informationen, das Tier trage eine Krone und sein Maul sei von großer Hitze erfüllt. Da das schöne Tier in dem nachklassischen Artusroman auch als Wappentier der Burg Roimunt fungiert, erscheint es denkbar, dass Wirnt von Grafenberg sich an realhistorischen Panther-Wappen orientierte und dass das ʻschöne Tierʼ eine literarische Überformung dieser Wappen darstellt (Denruyter, 131f.).

Ausg.: Heinrich von Neustadt: Apollonius von Tyrland. Nach der Gothaer Handschrift, ed. S. Singer, 1967; Johann Hartlieb: Alexander, ed. R. Pawis, 1991; Pfaffe Lambrecht: Alexanderroman. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, ed. E. Lienert, 2007; Pfaffe Lambrecht: Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander, ed. R. M. Werner, 1881; Wirnt von Grafenberg: Wigalois, ed. J. M. N. Kapteyn, 2014;

Lit.: H. Denruyter: Tierisches Leben im „Wigalois“ Wirnts von Gravenberc, in: LeuvBijdr 87 (1998), 119-138; J. Eming: Luxurierung und Auratisierung von Wissen im Straßburger Alexander, in: Fremde - Luxus - Räume. Konzeptionen von Luxus in Vormoderne und Moderne, ed. G. Pailer, F. Schößler, J. Traulsen und J. Eming, 2015, 63-83; S. Finkele, und B. Krause: Automaten (und ihre Konstruktion) in hochmittelalterlicher Dichtung, in: Technikfiktionen und Technikdiskurse: Ringvorlesung des Instituts für Literaturwissenschaft im Sommersemester 2009, ed. S. Finkele / B. Krause, 2012, 9-50; S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

Panther – E.4 – II.2 Tierkunde

Im BdN Konrads von Megenberg werden zahlreiche Panther-Informationen genannt, die bereits in den antiken naturkundlichen Texten sowie in den lateinischen Enzyklopädien zu finden sind (KM, BdN III.A.58; → B. 1; → C. II.2).
Konrad gibt als eine seiner Quellen zunächst Solinus an und erläutert die Fellfärbung des Panthers. Das Fell sei in kleinen gelben oder goldfarbenen, schwarzen und weißen Kreisen gemustert. Der Panther sei ein sanftmütiges Tier und ein Feind des Drachen.
Als weitere Quelle seiner Informationen führt Konrad Aristoteles an, schreibt diesem jedoch Aussagen zu, die nicht in der Historia animalium, sondern in den deutschsprachigen Physiologus-Fassungen zu finden sind, die die sog. Dicta-Version rezipieren. Es handelt sich dabei um die Informationen, der Panther verweile – nachdem er gefressen habe – drei Tage in seiner Höhle, daraufhin gebe er laute Rufe von sich und verströme einen süßen Duft (süezen smack), von dem andere Tiere angelockt würden.
Ebenso wie in der NH steht auch hier der anziehende, gute Duft im Gegensatz zum anplick des Panthers, der andere Tiere erschrecken lässt (→ B. 1). Auch wenn das Wort anplick sematisch weiter ist und nicht ausschließlich ‘Gesicht’ und ‘Kopf’ meinen muss, ist es an diese Stelle – die eine genaue Plinius-Rezeption darstellt – wohl doch als ‘wilder Kopf’ zu verstehen. Wichtig ist, dass das herausragende Merkmal des Panthers – der gute Duft – im BdN ausschließlich die Funktion eines Köders erfüllt. Dem Panther-Duft widerfährt also weder eine religiös-heilsgeschichtliche Ausdeutung, noch dient er dazu, eine andere allegorische Ebene zu eröffnen, wie dies beispielsweise in den Bestiarien und zum Teil auch in lyrischen Texten der Fall sein kann.
Ein weiteres Thema, das Konrad anspricht, ist die Gebärfähigkeit des Panther-Weibchens Hier führt er Isidor von Sevilla als Quelle und Gewährsmann für die Richtigkeit seiner Informationen an.
Daraufhin wird erklärt, der Panther weise einen mondförmigen Fleck auf seiner Schulter auf –ein Merkmal, das wohl auf Plinius zurückgeht und auch bei Albertus Magnus und Thomas von Cantimpré Erwähnung findet (→ B. 1; → C. II.2).
Abschließend wird die Feindschaft zum Drachen, die bereits zuvor angesprochen wurde, erneut aufgegriffen und etwas näher erläutert: sie basiere darauf, dass der Drache die Stimme des Panthers fürchte. Wichtig erscheint zudem, dass Konrad von Megenberg zwischen Panther, Parder und Leopard differenziert und auch den beiden letztgenannten einen eigenen Abschnitt widmet (BdN III.A.57 und III.A.38).

Ausg.: Aristoteles: Historia animalium, ed. D. M. Balme, prepared for publication by A. Gotthelf, 2011; Albertus Magnus: De animalibus, ed. H. Stadler. 1916-1920; Konrad von Megenberg: Das ›Buch der Natur‹, ed. R. Luff/G. Steer, 2003; Der altdeutsche Physiologus. Die Millstätter Reimfassung und die Wiener Prosa (nebst dem lateinischen Text und dem althochdeutschen Physiologus), ed. F. Maurer, 1967; Thomas von Cantimpré: Liber de natura rerum. Editio princeps secundum codices manuscriptos. Teil 1, ed. H. Boese, 1973; Thomas von Cantimpré: Liber de naturis rerum. Redaktion III (Thomas III), ed. Projektgruppe B2 des SFB 226 Würzburg-Eichstätt unter Leitung von B. K. Vollmann, [1992, masch.]; C. Plinius Secundus: Naturalis historia, ed. R. König/G. Winkler, Bd. 8, 2007.

Lit.: S. Mühlenfeld: Konzepte der ʻexotischenʼ Tierwelt im Mittelalter, Diss. Mainz 2017.

Stephanie Mühlenfeld

PANTHER – Englische Literatur

I. Terminologisches

 

II. Tierallegorese und Tierkunde

1. Physiologus, Bestiarien
2. Tierkunde
3. Gebrauchsschrifttum

 

III. Tierdichtung

1. Fabel
2. Tierepos

 

IV. Literatur

1. Narrative Texte
2. Lyrische Texte
3. Diskursive Texte
(4. Dramatische Texte)

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Panther

Panther / panther / panthère

Artikel als pdf-Datei

A. Das reale Tier

B. Denktraditionen

B.1 – Antike Zoologie
B.2 – Bibel und Bibelexegese

C. Lateinische Literatur

D. Romanische Literaturen

D.1 – Französische und okzitanische Literatur
D.2 – Italienische Literatur
D.3 – Spanische und katalanische Literatur
D.4 – Portugiesische Literatur

E. Germanische (und keltische) Literaturen

E.1 – Nordische Literatur
E.2 – Englische Literatur
E.3 – Niederländische Literatur
E.4 – Deutsche Literatur

Andere Lexikonartikel (folgt)

Link zur animaliter-Bibliographie-Datenbank: Panther

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Panther – E.2 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Der Panther ist eines der drei Tiere, die im altenglischen Physiologus des Exeter Book beschrieben werden. Der Panther haust in Höhlen von Schluchten ferner Länder und wird als „einsamer Wanderer“ (anstapa, Z. 15) bezeichnet. Er ist jedem Wesen freundlich gesonnen – mit Ausnahme des → Drachen, mit dem er eine ewige Feindschaft hegt. Die Erscheinung des Panthers ist wunderschön, denn sein Fell schimmert in verschiedenen prächtigen Farbtönen. Sein Charakter ist durchwegs positiv: sanftmütig, gütig und „voller Liebe“ (lufsum, Z. 32). Nachdem der Panther gesättigt ist, ruht er für drei Tage in einer dunklen Höhle, die er am dritten Tag gestärkt und mit prächtigem Aussehen verlässt. Seinem Maul entströmt ein süßer, wohlriechender Duft, der sowohl die Menschen als auch andere Tiere anlockt und verzückt. Im christlichen Sinne verkörpert der Panther Gott, der zu jedem seiner Geschöpfe freundlich ist. Dem steht der Teufel entgegen, der mit dem Drachen assoziiert wird und dessen Feuer an das Höllenfeuer erinnert. So wie der Panther für drei Tage ruht, so ruhte auch Jesus Christus vor seiner Auferstehung am dritten Tag. Die Kunde von Jesu Auferstehung verbreitete sich in der Welt wie der edle und seltene Duft des Panthers.

Im Middle English Physiologus handelt das zwölfte Kapitel vom Panther, dessen Inhalt dem des altenglischen Physiologus stark ähnelt. Der Panther wird auch hier mit Gott und dem Guten assoziiert, während der Drache nach wie vor sein einziger Feind bleibt und den Teufel symbolisiert. Der Panther gilt als das schönste Tier auf Erden, sein schwarzes Fell besitzt runde weiße Flecken. Erzählungen über seine Angewohnheit, nach dem Fressen für drei Tage zu ruhen, und sein süßer Duft gleichen denen des altenglischen Pendants: Der Panther steht für Jesus Christus und sticht daher unter allen Tieren hervor, so wie Jesus über den Dingen steht. Sein dreitägiger Schlaf endet mit seinem lauten Gebrüll, wodurch sein Maul einen wohlriechenden Duft verströmt und die Menschen von weit her anlockt, um ihm wie Christus zu folgen und das Göttliche zu erstreben. Während des Gebrülls liegen die Drachen ruhig und reglos in ihren Gruben, als ob sie zu Tode erschrocken wären. Das Erwachen des Panthers am dritten Tag stellt im spirituellen Sinn Jesu Auferstehung dar und dort, wo Gottes Wort erklingt, traut sich die feindliche Schlange – oder Drache, also der Teufel – weder zu regen noch einem Menschen Schaden zuzufügen. Denn Gottes Liebe und Gesetz herrschen und verbreiten sich wie der Wohlgeruch des Panthers.

Ausg.: The Old English Physiologus, The Exeter Book, ed. G. Ph. Krapp and E. van Kirk Dobbie, 1936, 169-71; The Middle English Physiologus, ed. H. Wirtjes, 1991, 19-20.

Irina Rau