Ameise

Ameise – B.1 Antike Zoologie

Ameisen werden von Aristoteles (HA 488a7-10) zusammen mit Bienen, Wespen, Kranichen und Menschen zu den „sozialen Tieren“ (ζῷα πολιτικά, zōa politika) gezählt. Bereits Platon (Phaidon 82b6f.) bezeichnete Bienen, Wespen und Ameisen als Angehörige eines πολιτικὸν καὶ ἥμερον γένος (politikon kai hēmeron genos), also einer „sozialen und zahmen Art bzw. Gattung“. Ein wichtiger Unterschied der Ameisen gerade auch zu den Bienen liegt allerdings in der Organisation der „Staatsform“. Während bei den Bienen die meist männlich gedeuteten Königinnen als klare Anführer wahrgenommen und beschrieben werden, hält etwa Aristoteles (HA 488a10-13) die Ameisen für ζῷα ἄναρχα (zōa anarcha; „Tiere ohne Anführer“). Diese vermeintliche Anarchie der Ameisen bedeutet aber nicht, dass man von einem Chaos im Ameisennest ausging, sondern die Ordnung, die sich auch ohne distinkte Anführer einstellte, war im Gegenteil ein Grund zur Bewunderung. Auch im alttestamentlichen Buch der Sprichwörter (6,6–8) findet sich eine ähnliche Vorstellung von der Organisation des Ameisenstaates. Eine Identifizierung der „Staatsform“ mit der Demokratie lässt sich in den erhaltenen antiken Texten jedoch kaum nachweisen. Allenfalls eine Passage im Ikaromenippos (19) des kaiserzeitlichen Satirikers Lukian könnte eine solche Charakterisierung des Ameisenstaates zeigen. Eine Erklärung für diese Sicht auf die Organisation des Ameisenstaates könnte die Tatsache sein, dass die geflügelten Geschlechtstiere zum einen nicht ganzjährig als solche zu sehen sind (bei vielen Arten wirft die befruchtete Königin ihre Flügel auch ab) und sie zudem oftmals als eigene „Arten“ wahrgenommen wurden, die nicht unmittelbar mit den ungeflügelten Ameisen in Verbindung stehen. Obwohl die moderne Biologie sehr viele verschiedene Ameisenarten kennt, scheint dies in der antiken Literatur weniger beachtet worden zu sein. Typischerweise gilt sie als kleines schwarzes Tier, das sich von Pflanzensamen ernährt und sein Nest unter der Erde anlegt (dazu im Folgenden). Weitere „Arten“ werden allenfalls in medizinisch-magischen oder naturkundlichen Texten unterschieden (z.B. Plinius NH 29,92; 30,29; Aelian NA 10,42; Kyraniden 2,25: 7 Arten). Ob hinter den dort beschriebenen Tieren aber tatsächlich in jedem Fall eine Ameise nach modernen Maßstäben steht, ist fraglich. Generell scheinen kleine Insekten häufig als Ameisen oder zumindest als ameisenähnliche Tiere wahrgenommen worden zu sein.

In ihrer Ernährung werden Ameisen ebenfalls von den Bienen unterschieden. Im Gegensatz zu diesen Tieren sollen die Ameisen ihre Nahrung nicht selbst herstellen, sondern von anderen nehmen (Aristoteles HA 623b13-18; Plinius NH 11,108). Die Nahrung besteht nach den meisten antiken Quellen, wie bereits gesagt, vor allem aus Getreidekörnern, nur selten wird eine andere Ernährung erwähnt (Anthologia Graeca 7,213; Sueton Tiberius 72,2; Plutarch De sollertia animalium 967E1-F2; Aelian NA 6,50; Isidor Etymologiae 12,3,8). Die Ernährung von Getreidekörnern wird so zentral für die antiken Ameisenvorstellungen, dass gar die Etymologie des lateinischen Wortes formica aus micas ferre („Körnchen tragen“) hergeleitet wird (Servius In Aeneidos librum 4,402; so auch bei Isidor Etym. 12,4,9). Diese Ernährungsweise konnte vom Menschen durchaus als negativ wahrgenommen werden, sodass viele agronomische Schriften Ameisen als Kornschädlinge beschreiben und entsprechende Gegenmaßnahmen anführen (Cato De agri cultura 91; Varro Res rusticae 1,51,1; Vergil Georgica 1,185f.; Columella Res rustica 2,8,5; Palladius Opus agriculturae 1,35,2; 4,10,21; Geoponica 2,18,1; 13,10).

Demgegenüber kann das Eintragen von Getreidekörnern aber auch als Zeichen ihres sprichwörtlichen Fleißes (z.B. Corpus Aesopicum 112; Aristoteles HA 622b19-21. 24-27; Aelian NA 4,44) oder ihrer Fähigkeit zur Vorratshaltung positiv gedeutet werden (z.B. Corpus Aesopicum 112; Vergil Georg. 1,185f.; Aeneis 4,402f.; Horaz Sermones 1,1,35; Aelian NA 2,25; Origenes Contra Celsum 4,83; Isidor Etym. 12,3,9). In diesem Zusammenhang wird in einigen Texten ebenfalls berichtet, dass die Ameisen die Körner annagen oder teilen, um ein vorzeitiges Keimen zu verhindern (z.B. Plinius NH 11,109; Plutarch De soll. anim. 968A7f.; Aelian NA 2,25; Physiologus 12; Geoponica 15,1,26). Darüber hinaus sollen die Körner bei drohendem Regen oder, wenn sie bereits feucht geworden sind, aus dem Bau getragen werden (so z. B. Plinius NH 11,109; Plutarch De soll. anim. 967F6- 968A2 [„Eier“ oder Körner]; Physiologus 12; Isidor Etym. 12,3,9). In manchen Texten ist in diesem Zusammenhang nicht von Körnern, sondern von „Eiern“ (modern dürften eher die Puppen gemeint sein) die Rede (Theophrast De signis 22,149-151; Arat Phaenomena 956f.; Vergil Georg. 1,379f.; Plinius NH 18,364).

Das Nest der Ameisen wird in der Regel als ein System von unterirdischen Höhlen und Gängen beschrieben (sehr anthropomorph etwa bei Plutarch De soll. anim. 968A8-B5 und Aelian NA 6,43). Diese Form der Nestanlage sowie die Ernährung von Pflanzensamen unterscheiden antike Vorstellungen etwa von modernen mitteleuropäischen, wo man eher von einer karnivoren Ernährung und von Nestern in Hügelform ausgeht. Tatsächlich stimmen diese Charakteristika aber mit den im Mittelmeerraum verbreiteten Arten der Ernteameisen aus der Gattung Messor überein, sodass diese Arten möglicherweise die natürliche Grundlage bilden, aufgrund derer man Ameisen allgemein beschrieben hat. Nur selten werden andere Orte des Nestbaus wie in oder auf Bäumen genannt (z.B. Ovid Metamorphoses 7,624-626; Plinius NH 10,206; Apuleius Metamorphoses 8,22,6). Aelian (NA 16,15) nennt zudem bestimmte indische Ameisen, die einen Hügel errichten sollen. Möglicherweise stehen eher Termiten hinter diesem Bericht.

Eine Besonderheit der Ameisen, die sich in vielen antiken Texten findet, ist ihre große Verbundenheit untereinander. Diese soll sogar über den Tod hinaus gelten, was sich an aufwändigen und durchaus anthropomorph beschriebenen Begräbnissen und Totenriten zeige (Plinius NH 11,110; Aelian NA 5,49; 6,43; 6,50; Plutarch De soll. anim. 967E1-F2; Origenes C. Cels. 4,84; Geoponica 13,10,14).

Ein bekanntes Beispiel für eher wundersame Tiere sind die goldgrabenden Riesenameisen. Diese werden erstmals bei Herodot (3,102-105) als größer als Füchse aber kleiner als Hunde beschrieben und in Indien verortet. Diese Ameisen werden dann bald in zahlreichen anderen Texten – nicht selten als Topos – erwähnt (z.B. Kallimachos Frg. 163,58f. Asper = 202,58f. Pfeiffer; Theokrit Idyllia 17,106f.; Properz Elegi 3,13,5; Strabon Geographica 15,1,44; Plinius NH 11,111; Arrian Indica 15,4-6). Vor allem in späterer Zeit wird teilweise auch Afrika als Lebensraum dieser Tiere genannt (z. B. Solinus CR 30,23; Heliodor Aethiopica 10,26; Philostrat Vita Apollonii 6,1; Isidor Etym. 12,3,9).

Ausg.: Aelian: De natura animalium, ed. M. García Valdés/L. A. Llera Fueyo/L. Rodríguez-Noriega, 2009; Aesopica I, ed. B. E. Perry, 1952; Anthologia Graeca, ed. H. Beckby, 1965; Apuleius: Metamorphoses, ed. M. Zimmermann, 2012; Arat: Phaenomena ed. D. Kidd, 1997; Aristoteles: Historia animalium, ed. D. M. Balme, prepared for publication by A. Gotthelf, 2011; Arrian: Scripta minora et fragmenta, ed. A. G. Roos/G. Wirth, 1967; Cato: De agri cultura, ed. A. Mazzarino, 1982; Columella: Res rustica, ed. R. H. Rodgers, 2010; Geoponica, ed. H. Beckh, 1895; Heliodor: Aethiopica, ed. A. Colonna, 1938; Herodot: Historiae, ed. N. Wilson, 2015; Horaz: Opera, ed. D. R. Shackleton Bailey, 2006; Isidor: Etymologiae sive Origines, ed. W. M. Lindsay, 1911; Kallimachos: Volumen I, Fragmenta, ed. R. Pfeiffer, 1949; Kallimachos: Volumen II, Hymni et Epigrammata, ed. R. Pfeiffer, 1953; Kallimachos: Werke, ed. M. Asper, 2004; Kyraniden, ed. D. Kaimakis, 1976; Lukian: Opera, Volumen I, ed. M. D. Macleod, 1972; Origenes: Contra Celsum, Volumen II, ed. M. Borret, 1968; Ovid: Metamorphoses, ed. W. S. Anderson, 1982; Palladius: Opus agriculturae, De veterinaria medicina, De insitione, ed. R. H. Rodgers, 1975; Philostrat: Opera, Volumen I, ed. C. L. Kayser, 1870; Physiologus, ed. F. Sbordone, 1936; Platon: Opera, Volumen I, ed. E. A. Duke/W. F. Hicken/W. S. M. Nicoll/D. B. Robinson/J. C. G. Strachan, 1995; Plinius, Naturalis historia, ed. R. König/G. Winkler, 1973-2007; Plutarch: Moralia, Volumen VI, Fasciculus 1, ed. C. Hubert/H. Drexler, 1959; Properz: Elegi, ed. S. J. Heyworth, 2007; Servius: In Vergilii carmina commentarii, ed. G. Thilo/H. Hagen,1878-1887, repr. 1961; Solinus: Collectanea rerum memorabilium, ed. T. Mommsen, 1895, repr. 1958; Strabon: Geographica, ed. S. Radt, 2002-2011; Sueton: De vita Caesarum, ed. M. Ihm, ND 1958; Theokrit: Idyllia, ed. A. S. F. Gow, 1952; Varro: Res rusticae, ed. D. Flach, 2006; Vergil: Opera, ed. R. A. B. Mynors, 1969.

Lit.: I. C. Beavis: Insects and other invertebrates in classical antiquity, 1988, 198-211; D. Berrens: Soziale Insekten in der Antike, Diss. Mainz 2016; M. Davies/J. Kathirithamby: Greek insects, 1986, 37-46; K. Karttunen: India in early Greek literature, 1989, 171-180; O. Keller: Die antike Tierwelt 2, ND 1980,416-421; A. Marx: Ameise, RE 1,2 (1894), 1820–1822; H.-G. Nesselrath: Herodot und die Enden der Erde, Museum Helveticum 52 (1995), 20-44; P. Rech: Ameise, RAC 1 (1950), 375–377; T. Reimer: Kleiner als Hunde, aber größer als Füchse. Die Goldameisen des Herodot, 2005.

Dominik Berrens

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Ameise – C. – II.1 Physiologus, Bestiarien

La fourmi figure dans le Physiologos gréco-chrétien et, par les traductions latines et vernaculaires, dans la majorité des bestiaires successifs. Trois propriétés sont retenues et moralisées dans les versions Y, A et B. 1. Quand elles vont en colonne, les fourmis tiennent chacune un grain en bouche et celles qui ne portent rien ne tentent pas de leur demander une part ni de la prendre; on y voit une leçon de prévoyance, à l’image des Vierges sages de la parabole évangélique. 2. Lorsqu’elles mettent le grain en réserve, les fourmis le fendent afin d’éviter qu’il ne germe par l’humidité; ainsi, il faut distinguer les sens spirituel et charnel des Ecritures, s’attacher à l’esprit et délaisser la lettre qui tue, que privilégient à tort les Juifs. 3 Au temps des moissons, les fourmis montent sur les épis et discernent à l’odeur s’il s’agit de blé ou d’orge; elles prennent le premier et laissent le second; l’orge, bon pour les bestiaux, est l’image des doctrines étrangères (version Y), ou les hérésies (version B). Le chapitre sur la fourmi dans les Dicta Chrysostomi présente la même argumentation par rapport aux trois propriétés de l’animal. Quant au Physiologus Theobaldi, tout en décrivant en résumé les
mêmes propriétés, il en adapte la leçon: la fourmi est un exemple de labeur, elle indique des qualités spirituelles dont les Juifs sont privés, elle encourage à engranger la Nouvelle Loi, et non l’Ancienne, et à s’en nourrir de façon spirituelle et corporelle en vue de l’hiver de la mort.

Baudouin Van den Abeele

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Ameise – E.2 – I. Terminologisches

ae. æmete, æmytte, me. amete, amte, ampte, emete, emmatte, emmotte, mire cf. ne. dialektal emmet
In altenglischer Zeit wird lat. formica mit æmete glossiert.

Lit: E. MÄTZNER: Altenglische Sprachproben, nebst einem Wörterbuche. 2. Band: Wörterbuch, erste Abtheilung: A-D, 1878; Middle English Dictionary (http://quod.lib.umich.edu/m/med/).

Thomas Honegger

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Ameise – C. – II.2 Tierkunde, Enzyklopädik

Bevor die Ameise zum Gegenstand der als Wissenschaft im lateinischen Westen nach der Rezeption der Analytica Posterioria im 13. Jahrhundert begründeten Tierkunde wurde, vermittelten mittelalterliche Enzyklopädien das elementare Wissen über dieses Lebewesen. Die Aufmerksamkeit und das Interesse für die Ameise waren durch allgemeine Bildungszwecke und erzieherische, bereits in der Bibel und in der christlichen Tradition verankerte Vorbildfunktion, welche diesem Insekt beigelegt wurde, motiviert.

Die mittelalterlichen Enzyklopädisten schöpfen ihr Wissen über die Ameise aus der biblisch-christlichen Tradition und antiken Quellen. In den Schriften zur Naturphilosophie und zur Zoologie des Mittelalters wird die Ameise nach systematischen Gesichtspunkten reflektiert. Die wissenschaftliche Annäherung, die das allgemeine und sichere Wissen zum Ausgangspunkt hat und zum Besonderen voranschreitet, richtet sich im Allgemeinen methodisch und inhaltlich nach den Tierbüchern des Aristoteles, während sie im Einzelnen das enzyklopädisch überlieferte und populäre Wissensgut, eigene Erfahrungen und Beobachtungen einbezieht. Sie ist von einem kritischen Umgang mit der überkommenen Überlieferung und dem Bestreben nach Scheidung des Gesicherten vom Fabelhaften gekennzeichnet.

Isidor von Sevilla (Etymologiae XII 4 9) leitet den lateinischen Namen der Ameise (formica) von ›ferat micas farris‹ ab, d.h. »sie trage Getreidekörner«. Er hebt die Klugheit der Ameise hervor, die sich in der Vorsorge für die Zukunft äußere. Die Ameise lege Nahrungsvorräte für den Winter an, indem sie in der Erntezeit trockene Weizenkörner sammle. Gerste fasse sie nicht an (vgl. lat. Physiologus). Alle Körner, die vom Regen nass werden, werfe sie aus. Gestützt wohl auf Solinus (Collectanea rerum memorabilium 30,23-24; vgl. Herodot, Historiae 3,102,104-105) fügt Isidor hinzu, dass es in Äthiopien große Ameisen geben soll, die ihrer Gestalt nach einem → Hund ähneln; sie grüben mit ihren Füssen Goldfelder aus und würden sie bewachen.

Den Bericht des Isidor über die Ameise übernimmt unverändert Rabanus Maurus (De rerum naturis 7,2) und ergänzt ihn im Anschluss an die Glossa ordinaria Bibliae zu Prv 6,6-8 um eine allegorische Interpretation, wonach die Ameise das Sinnbild eines vorsorgenden Menschen oder eines tüchtigen Arbeiters sei. Die etymologische Interpretation des Namens der Ameise und die allegorische Deutung der Ameise bezeugen Bartholomaeus Anglicus (De rerum proprietatibus 18,51) und Vinzenz von Beauvais (Speculum naturale 20,131). Arnoldus Saxo (Liber de floribus rerum naturalium) lässt ähnlich wie schon vor ihm Hildegard von Bingen (Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum) den etymologischen Aspekt außer Acht und sucht einen naturkundlichen Zugang zur Ameise. Gestützt auf Aristoteles, Historia animalium 9,38 (622b24-27), und die Zoologie des ›Iorach‹, d.h. Iuba II. König von Mauretanien (vgl. Draelants, 229,247) stellt er feste Verhaltensmuster bei der Ameise heraus. Bei ihrer Arbeit nehmen die Ameisen immer den gleichen Weg, sie legen ihre Nahrung nicht ab und sie arbeiten bei Vollmond. Auf die Körpereigenschaften der Ameise, die aus den Qualitäten der Elemente resultieren, und die Möglichkeiten ihrer Nutzung in der Heilpraxis, u.a. gegen Gicht, Lepra, Geschwülste und Depression, weist Hildegard von Bingen (Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum 43; vgl. Plinius, Naturalis historia 30,39) hin. Die Ameise sei warm; sie wachse aus einer wohlriechenden Feuchtigkeit und weise im Legen von Eiern eine gewisse Gemeinsamkeit mit den → Vögeln auf.

Wie Rabanus übernimmt Bartholomaeus Anglicus (De rerum Proprietatibus 18,51) vollständig den Bericht des Isidor und fügt hinzu, dass die Ameise die gesammelten Getreidekörner an den Spitzen beschneidet, damit sie nicht aufkeimen. Er lässt anschließend Aussagen über die Ameise aus Werken antiker Autoren (Ovid, Solinus, Plinius, Aristoteles), aus der Bibel (Prv 6,7) und der Glossa ordinaria Bibliae folgen. Mit Ovid (Metamorphosis 7,625) unterstreicht er die unverhältnismäßige Größe des Werkes hervor, das die winzige Ameise verrichtet. In einer Solinus zugeschriebenen, bei ihm jedoch nicht nachweisbaren Passage, werden schwarze Ameisen als sehr klein und im klugen Verhalten großen Tieren überlegen charakterisiert. Der Beweis dafür sei nicht nur die Vorsorge für die Nahrungsvorräte, sondern auch die Staatenbildung und das Bauen der Nester in Form von aufgetürmten Haufen mit verborgenen, gradlinigen Wegen, die sie nie verlassen, fleißiges Sammeln von Körnern, deren sorgfältiges Abschälen und sicheres Lagern. In ihren Nestern von Menschen bedrängt, versprühten sie giftige Flüssigkeit, die Brennen und Juckreiz der Haut verursache. Die beiden Berichte des Plinius (Naturalis historia 11,30,31) von der einheimischen Ameise und den fabulösen, gehörnten Ameisen Indiens hat Bartholomaeus mit einigen Umformulierungen, geringfügigen Auslassungen (z.B. das Trocknen regennasser Körner, Begraben der Toten und die Notiz, dass in Sizilien beflügelte Ameisen nicht vorkommen) und Ergänzungen (u.a. zum Fleiß beim Aufsammeln verstreuter Körner, zur Morphologie und Beflügelung der Ameise im späten Alter) an die Darstellungen von Isidor und ›Solinus‹ angeschlossen. Es folgen Angaben über den Geruchsinn und die Empfindlichkeit der Ameise gegen jeden Gestank; sie flüchteten vor Beräuchern mit Schwefel, Dosten und Hirschhorn (nach Aristoteles, Historia animalium 8,8,534b15-25). Die Ameisen lebten zwar in Scharen und kämen sich gegenseitig nach, dennoch hätten sie keinen König (nach Aristoteles, Historia animalium 1,1,488a8-13). Die letztgenannte Aussage wird mit Prv 6,7 und der Glossa ordinaria Bibliae mit dem Ziel verbunden, daraus praktische Lebensweisheit für den Menschen abzuleiten. Im fleißigen Agieren der Ameise, in der Einhaltung der Wege und in der Zielstrebigkeit sieht Bartholomaeus, wie zuvor Arnoldus Saxo, ihre positiven Eigenschaften (nach Aristoteles, Historia animalium 9,38,622b24-27). Aber auch die Schädlichkeit der Ameise ist Bartholomaeus bekannt. Er rechnet dazu die Schädigung der Wurzel der Bäume, wenn sie um diese ihre Nester bauen, das Beflecken der Hand, wenn man sie berührt, das Hinaufsteigen auf die Bäume und nagen an den Blüten und Früchten. Trotzdem sei ihre Nützlichkeit unbestreitbar, nicht zuletzt in medizinischer Hinsicht für Mensch und Tier.

Während die Enzyklopädisten von Isidor bis Bartholomaeus Anglicus sich auf die Namenserklärung sowie einige Angaben zur Lebensweise und Aktivitäten der Ameise beschränkten und sie entweder zur Gruppe der kleinsten Sinnenwesen (Isidor) oder als eines unter den Vierbeiner (Arnoldus Saxo) oder bloß in alphabetischer Reihenfolge der Tiernamen (Bartholomaeus Anglicus) abhandelten, legten Thomas von Cantimpré (Liber de natura rerum) und Vinzenz von Beauvais (Speculum naturale) ihrer Darstellung eine gewisse Systematik zugrunde. Thomas von Cantimpré rechnet sie zur Klasse der → Würmer und stellt sie im Ausgang von Prv 6,6 als ein in seiner Vorsorge für die Dinge des Lebens für den Menschen nachahmenswertes Vorbild. Dem Bericht des Plinius (Naturalis historia 11,30) teilweise wörtlich folgend, beschreibt er die Ameisen als ähnlich arbeitsam wie die → Bienen, von denen sie sich darin unterscheiden, dass sie ihre Nahrung nicht selbst herstellen, sondern nur sammeln und einlagern. Die eingelagerten Samenkörner hätten sie zuvor benagt, damit sie nicht aus der Erde wieder zu sprießen beginnen; größere Körner zerteilten sie, damit sie in das Nest hineingetragen werden könnten; regennasse Körner lassen sie trocknen, damit sie nicht verderben. Vergleiche man Traglasten der Ameisen mit ihren kleinen Körper, stelle man fest, dass kein anderes Tier mehr Kraft anteilmäßig in den Gliedern besäße. Die Gewagtheit, Lasten anzupacken, welche die Kräfte ihres kleinen Körpers übersteigen, sei lobenswert (nach Ambrosius, Hexameron 6,4 16). Auch der Geruchsinn und die Geruchsempfindlichkeit der Ameise finden bei Thomas (wie bei Bartholomaeus) Erwähnung mit dem Verweis auf Aristoteles als Quelle. Die Aussagen, dass die Ameisen nachts bei Vollmond arbeiten und bei Neumond die Arbeit niederlegen, über ihr soziales Verhalten – hiervon schreibt auch Bartholomaus – sowie darüber, dass sie ihre Toten bestatten, sind Plinius (wie oben) entnommen. Übereinstimmend mit Bartholomaeus hält Thomas von Cantimpré fest, dass die Ameisen im Alter stärker werden und wachsen. Die Ansicht, die Ameisen hätten gelernt, das Wetter zu prognostizieren, geht auf Plinius (Naturalis historia 18,364; vgl. Avicenna, Liber de anima 5,1) zurück.

Das umfassendste enzyklopädische Wissen über die Ameise stellt Vincent von Beauvais im Speculum naturale 20,131-134 zusammen. Er bietet Auskünfte zur Namensherkunft, Klassifikation (gemäß der aristotelischen Tiersystematik), zu Lebensgewohnheiten, Anatomie und zur Fortpflanzung (Speculum naturale 20,131). Hierbei stützt er sich auf Isidor (Etymologiae), die Zoologie des Aristoteles, Plinius (Naturalis historia 11,30; 17,73; 18,364) und Thomas von Cantimpré (Liber de natura rerum). Ein eigenes Kapitel widmet er der Klugheit der Ameise, in dem die wichtigsten Angaben zu diesem Thema anhand der früheren Quellen und Enzyklopädien (Aristoteles, Plinius, Prv 6,6-8 und die Glossa ordinaria zu dieser Stelle, Ambrosius, Isidor, Thomas von Cantimpré) aufgezeichnet und durch die Überlieferung des lateinischen Physiologus ergänzt werden. In einem weiteren Kapitel beschreibt er toxische Mittel zur Bekämpfung der Ameisen, wenn sie in Gärten Schäden anrichten. Darunter sind Dosten und Schwefel, Asche eines Schneckenhauses, Kalk, Storax, Menstruationsblut und eine Reihe weiterer Mittel und Methoden, die teilweise auf dem Aberglauben beruhen. Die Hauptquellen des toxikologischen Kapitels sind Aristoteles, Palladius, Plinius und al-Rāzī. Im letzten Kapitel sind Berichte von den Riesenameisen Äthiopiens und Indiens zusammengefasst, die auf Solinus und Plinius zurückgehen und von den meisten mittelalterlichen Enzyklopädisten unkritisch wiederholt werden, bis Albertus Magnus ihre Glaubwürdigkeit anzweifelte.

Die ersten erhaltenen Kommentare zu den Tierbüchern De animalibus des Aristoteles (in der lateinischen Übersetzung aus dem Arabischen von Michael Scotus), die Petrus Hispanus Medicus, Ps.-Petrus Hispanus um die Mitte des 13. Jahrhunderts und knapp ein Jahrzehnt danach Albertus Magnus vorgelegt haben, markieren den Anfang einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Ameise. Petrus Hispanus und Ps.-Petrus Hispanus (Quaestiones super libro de animalibus) erläutern die Eigenschaften und Lebensgewohnheiten der Ameise im Vergleich mit denen der → Spinne und der → Biene. Sie fragen nach den Gründen, warum die Ameise Nahrungsvorräte anlegt und nicht wie die Spinne sich die Nahrung jeweils fängt oder wie die Biene sie sich selbst erzeugt, ferner warum die Ameise nachts arbeitet, während die Spinne und die Biene sich nur tagsüber betätigen und welche Vorteile die Nachtarbeit für die Ameise hat. Die beiden Kommentatoren folgen der von Aristoteles bestimmten, rationalen Erklärung und führen die Eigentümlichkeiten der Ameise und die Unterschiede zu den anderen Insekten auf ökologische und morphologisch-physiologische Gründe.

Albertus Magnus steht ebenso in der naturphilosophischen und -wissenschaftlichen Tradition des Aristoteles, die er unter Heranziehung neuerer Quellen sowie aufgrund eigener Beobachtungen und Experimente fortführt. Er übernimmt die Systematik des Aristoteles, d. h er rechnet die Ameise zu den Kerbtieren, und behandelt sie sowohl unter dem Aspekt ihrer Anatomie, Eigenschaften und Verhaltensweise als auch hinsichtlich der Kräfte, die ursächlich für die Zeugung, Ausformung des Körpers und der Sinnesvermögen sowie des Verhaltens sind. Seine Beschreibung der Ameise im allgemeinen Teil der Tierkunde unter der Rücksicht ihrer verhaltens-ökologisch bedingten Merkmale, der Art der Fortpflanzung, der Morphologie äußerer Glieder, des Verhaltens und der Klugheit übertrifft alle früheren Versuche einer wissenschaftlichen Annäherung an diesen Insekt. Er legt bei der Untersuchung der Klugheit und Aktivitäten der Kerbtiere seine erste Gesamtdarstellung der Ameise (De animalibus 8,4 1) vor, in der sich Elemente finden, die in keiner der früheren Beschreibungen erwähnt oder in dieser Form verdeutlicht wurden, wie z. B. die Organisationsform des Ameisenstaates, natürlicher Instinkt als das Lenkungsprinzip des Verhaltens und der Aktivitäten der Ameise, anatomische Einzelheiten. In seinem Tierlexikon (De animalibus 26,16), das sich weitgehend am Liber de natura rerum des Thomas von Cantimpré orientiert, fasst Albert erneut das Wissen über die Ameise in Kurzform zusammen. Er kennt auch die allegorische Deutung der Ameise, auf die er in seinen theologischen Schriften, nicht aber in der Tierkunde, mehrfach Bezug nimmt (u.a. De natura boni 2,1 2 3 und Super Matthaeum 6,34,26).

Alberts Schüler Thomas von Aquin und die späteren Autoren verdanken ihre Ameisen-Kenntnisse Aristoteles, den Enzyklopädisten und Albertus Magnus.

Ausg.: Albertus M.: De animalibus libri 26, ed. H. STADLER, 1916-1920; Albertus M.: De natura boni, ed. E. FILTHAUT 1974; Albertus M.: Super Matthaeum, ed. B. SCHMIDT, 1987; Avicenna Lat.: Liber de anima seu Sextus de naturalibus 4-5, ed. S. VAN RIET/G. VERBEKE, 1968; Bartholomäus Anglicus: De rerum Proprietatibus, 1601 (Reprint 1964); Die Encyklopädie des Arnoldus Saxo, ed. E. STANGE, 1905; Hildegard von Bingen: Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum, in: MIGNE, Patrologiae Latinae 197, 1125-1352; Hildegard von Bingen: Das Buch von den Tieren, ed. P. RIETHE, 1996; Huguccio Pisanus: Derivationes, ed. E. CECCHINI, 2004; Isidorus Hispalensis: Etymologiae, ed. W. M. Lindsay, 1911; Papias Vocabulista: Elementarium doctrinae rudimentum, 1496; Petrus Hispanus (Medicus): Quaestiones super libro de animalibus, Madrid, Bibl. Nacional, 1877, f.256ra-299vb; Ps.-Petrus Hispanus: Quaestiones super libro de animalibus, Firenze, Bibl. Nazionale Centrale, Conv. Soppr. G 4853 f.79ra-191vb; Der Physiologus, ed. O. SELL, 2003; Rabanus Maurus: De rerum naturis (De universo), in: MIGNE, Patrologiae Latinae 111, 9-614; Thomas von Cantimpré: Liber de natura rerum, ed. H. BOESE, 1973; Vincentius Bellovacensis: Speculum naturale, 1624 (Reprint 1964).

Lit.: H. ANZULEWICZ: Albertus Magnus und die Tiere (im Druck); H. BALSS: Albertus Magnus als Zoologe, 1928; I. DRAELANTS: Le dossier des livres »sur les animaux et les plantes« de Iorach, in: Occident et Proche-Orient: Contacts scientifiques au temps des Croisades, 2000, 191-276; C. HÜNEMÖRDER: Thomas von Aquin und die Tiere, in: Thomas von Aquin. Werk und Wirkung im Licht neuerer Forschungen, 1988, 192-210; Lexikon des Mittelalters 1, 526; T. REIMER: Kleiner als Hunde, aber grösser als Füchse. Die Goldameisen des Herodot, 2005.

                                                                                                                            Henryk Anzulewicz

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Ameise – C. – III.1 Fabel

La fable de la → cigale et de la fourmi remonte à l’Antiquité, avec les collections de Babrios, d’Avien et du Romulus et, par la suite, elle fera partie de quasi tous les recueils de fables latines du Moyen Age. Elle met en scène → le grillon, qui a passé l’été à chanter sans faire de réserves pour l’hiver, et qui est rabroué par la fourmi, une fois venue la mauvaise saison: la fourmi refuse de lui donner du grain de ses propres réservés, accumulées avec diligence durant l’été.

Baudouin Van den Abeele

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Ameise – C. – IV.1 Narrative Texte

Hagiographie: References to ants in hagiography are relatively rare; being neither a pest to be eliminated or a potentially helpful animal, it does not appear as an actor in the demonstration of saints’ virtus. Rarely however does it appear in a negative light. The twelfth-century Vita of Bishop Ubaldus of Gubbio contains an association of the devil with ants, (AASS 7th May, De S. Ubaldo Episcopi, 6). Some saints cure a disease named after the ant, according to its unpleasant sensation as if ants were crawling under the skin (AASS 18th May, B. Felix a Catalucio, Alia Miracula, 4, S. Ubaldus, ibid., 6). The creature more normally appears as a positive rhetorical device, in reference to its hard-working nature. Some references to Prv 30,25 ›The ants are a people not strong, yet they prepare their meat in the summer‹ appear, as in the Vita of the Spanish Saint Eneco (d. 1057), where the ant is made a symbol of the industry and humility of the monastic life, (AASS 7th May, S. Eneco, Acta Prolixiora, 4, no. 40). Prv 6,6 ›Go to the ant, thou sluggard; consider her ways, and be wise‹ is quoted with some regularity from the early centuries of hagiography onwards (AASS 19th February, S. Auxibius, 3, (no. 13), Two Lives of Saint Cuthbert, ed. COLGRAVE, 1940, Bede, Vita Cuthberti, ch. 20, p. 224,
S. Guthlac, Felix’s Life of Saint Guthlac, ed. COLGRAVE, 1956, ch. 39, p.122, AASS 2nd May, S. Antoninus, Archbishop of Florence, Dominican, Vita Auctore Francisco Castilionensi, ch. 11, (no. 30), AASS 20th May, B. Columba Reatina, Vita auctore Sebastiano, ch. 17, no. 169). Bede, in his Vita Cuthberti, links the example of the ant directly into the key hagiographic theme of animal obedience to the saint. He notes that no one should find it absurd that the virtue of obedience could be learned from birds, since ›Solomon‹ in Proverbs had suggested that the lazy seek inspiration from the ant. In the Vita of the Dominican tertiary, Columba of Rieti (d. 1501), the ant is held up as an example of humility due to its small size. The same themes appear also with the probable inspiration but without direct reference to Proverbs (AASS 30th April, S. Catherine of Siena, Vita auctore Fr. Raimundo Capuano, 2, 1, no. 122, AASS 23 April, B. Aegidius Assisias, Acta, 2, 2, no. 34). The ant’s lowliness is an inspiration early on for moralism, as its inability to relish material possessions makes it an example to humanity, and even a point of comparison to Apostles, saints and martyrs, (AASS 17th January, S. Anthony, Apopthegmata, no. 40, AASS 22nd April, S. Acepsimas, Acta Martyriis, 5, no. 33; this is thought to be a genuine early Acta). These early images are sometimes referenced by later hagiographers (AASS 6 March, Vita B. Colettae, 9, AASS 20th October, Vita S. Sindulphus Confessoris, no.3). One Italian holy woman, Baptisa Verana (d. 1527) was so weakened by her asceticism that it was said an ant could break her neck (AASS 31st May, Vita ab ispsamet ad Patrem Spiritualem, 7). The difficulties faced by saints could be compared also to the predicament of the ant, with the rhetorical associations of humility supporting the metaphor. An example is the case of the Swedish Saint Birgitta (d. 1373), who, in trying to lead a young King and Queen to more Christian conduct was like an ant between two → camels (AASS 8th October, S. Birgittae, Vita altera, 1,1, no. 4). It is notable that the use of ants in hagiography appears to have been driven almost exclusively by its literary, and particularly scriptural, associations, with its occasional association with a disease being the only notable exception.

Dominic Alexander

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Ameise – C. – IV.3 Diskursive Texte

Liturgische und theologische Texte: Les exempla médiévaux font une place à la fourmi, comme l’atteste le répertoire de motifs de Stith Thompson, qui fait état de la prévoyance des fourmis pour garder leur récolte de grains au sec (deux cas). On retrouve une évocation de la sagesse de la fourmi chez Nicole Bozon (Contes moralisés, 69).

Un texte particulier, le Formicarius du dominicain allemand Jean Nider, a pris comme fil conducteur les propriétés des fourmis, comme son confrère Thomas de Cantimpré l’avait fait avec les abeilles. Chacun des 60 chapitres du traité, organisé en 5 livres, est introduit par une propriété de la fourmi, qui est ensuite moralisée, soutenue d’autorités bibliques ou patristiques, enfin illustrée par des anecdotes à caractère exemplaire. Les propriétés sont en majorité inspirées des chapitres sur la fourmi chez Barthélemy l’Anglais et chez Albert le Grand (De animalibus, 8,4 et 16,19-21). Les fourmis incarnent les bons et simples fidèles (livres 1-4 du Formicarius), puis les fidèles victimes des démons, et les démons eux-mêmes (1,5).

Lit.: Le Formicarius n’est disponible qu’en éditions anciennes, dont une a été rééditée (Cologne, c. 1480, rééd. Graz, 1971); C. CHENE: Le Formicarius (1436-38) de Jean Nider O.P, Micrologus 8 (2000), 297-350.

Baudouin Van den Abeele

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Ameise – D.1 – III.1 Fabel

Les représentations ésopiques qui veulent la fourmi travailleuse, prévoyante et économe nourrissent la fable française tout au long du Moyen Age. Marie de France fournit une version de La Fourmi et la Cigale où seule la capacité d’acquérir des biens est présentée comme louable parce qu’utile. De même, dans l’Isopet de Chartres (BASTIN t. 1, 26) la paresse du → grillon qui a chanté pendant l’été au lieu de se procurer le froment nécessaire pour l’hiver s’oppose à l’activité diligente de la fourmi. Le discours moralisant n’est pas sans malice: l’insecte prévoyant suggère au grillon de danser pour se distraire de sa faim. Dans l’Isopet de Paris II (ibid.,28) l’exemple de la fourmi acquiert une valeur plus générale pour soutenir que pendant la jeunesse l’on doit amasser les biens nécessaires à l’âge mûr.

L’activité assidue est d’autant plus admirable qu’elle est modeste et anonyme: à la vantardise de la → mouche qui affirme manger aux tables des souverains, la fourmi oppose la fierté d’avoir pourvu toute seule à sa provision de blé; la paix de son coeur adoucit la petitesse de son repas (De la Mouche et de la Fourmi, Isopet I, BASTIN t. 2, 36 et Isopet III, ibid., 30). De plus, l’abstinence de la fourmi devient exemplaire (Isopet de Lyon, ibid., 37) face à l’insatiabilité de la → mouche qui, malheureuse, ne survit pas à l’hiver (Isopet de Jehan de Vignay, t. 1, 418). À l’origine du différend on trouve soit la forfanterie insolente de la mouche (Isopet de Chartres), soit la volonté des deux insectes de se mesurer (Jehan de Vignay et, à l’époque successive, Julien Macho (2, 17).

Les recueils de fables du début du XVIe siècle témoignent de cette tradition. L’Aesopus Dorpii aussi bien que l’Isopet de Julien Macho récupèrent un épisode ultérieur, dans lequel la fourmi est par surcroît reconnaissante du bien qu’elle reçoit. Dans La Fourmi et la Colombe la petitesse de l’insecte ne l’empêche pas de rendre service à l’oiseau qui l’a sauvé de sa chute dans l’eau. Si les motifs de la sagesse et de la modestie reflètent des attitudes réelles de l’insecte, celui de la gratitude demeure plutôt une attribution occasionnelle, fonction de l’illustration de la morale, présentée comme une valeur universelle.

L’imagerie littéraire liée à l’insecte n’est pas exempte de perceptions négatives: Dans la fable Des formieux et du porc, Eudes de Chériton (fable 42) nous rappelle que souvent ceux qui amassent de grandes quantités de biens ne sont pas destinés à en jouir. Il ne faut pas oublier que la fourmi, qui était autrefois un homme, doit son apparence actuelle à son habitude de s’enrichir des biens d’autrui. Jupiter l’a punie, mais elle n’a pas abandonné son vice (Dorpius, Incerto Interprete, n. 57).

Si la fourmi apparaît isolément dans d’autres contextes (Eudes de Chériton la nomme parmi les animaux qui voulant élire un roi sont dévorés par le → serpent), le trait de la prévoyance reste sans doute le plus productif, jusqu’à assumer une valeur proverbiale: dans la section Subtilles fables de Alphonse de l’Isopet de Macho, Arabe de Lucanie exhorte son fils à ne pas être moins sage que la fourmi.

Ausg.: Fables de Marie de France, éd. C. BRUCKER, 1991, 39; Recueil général des Isopets, 2 t., éd. J. BASTIN, 1921; Isopet de Jehan de Vignay, t. 1, éd. G. E. SNAVELY, 1911; Aesopus Dorpii, dans: Aesopi Phrygis et aliorum fabulae, Lyon: Gryphium 1536, Rimicius 68; L’Esope de Julien Macho, éd. P. RUELLE, 1982; Les Fables d’Eude de Chériton, éd. P. RUELLE, 1999, fable 1, 46-47, fable 17, 427-429.

Lit.: G. DICKE/K. GRUBMÜLLER: Katalog der Fabeln des Mittelalters und der frühen Neuzeit, 1987, n° 35, 37,150, 157*; P. CIFARELLI: Catalogue thématique des fables ésopiques françaises du XVIe siècle, 1993, n° 213-215, 369.

Laura Ghiosso

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Ameise – D.2 – III.1 Fabel

En Italie, le succès de la fable au Moyen Age, phénomène durable et homogène du point de vue géographique, a son fondement dans la valeur exemplaire des textes issus de la tradition ésopique. Très diffusées dans le milieu de l’enseignement dès le XIIIe siècle, les versions en langue vulgaire des Ysopets remontent notamment à deux sources, le recueil de Marie de France et le Romulus de »Gualterus Anglicus«. C’est dans le contexte de cette production que la fourmi trouve sa place.

Les cinq manuscrits italiens contenant la traduction des fables de Marie de France comprennent une version de La Cighala che chiedeva mangiare a le Formiche. Les réprimandes de la fourmi soulignent à la fois la vanité du chant et les risques que comporte la fainéantise. En particulier, dans le texte transcrit dans le ms. Ashburnam 649 (CIFARELLI, 20) les fourmis (toujours au pluriel dans cette version) reprochent à la cigale d’avoir chanté pour son propre plaisir; de plus, puisqu’elle ne peut se rendre utile en aucune manière, elle n’aura rien.

Les fabliers italiens dérivés des fables en distiques élégiaques de Gualterus Anglicus (»Walter l’Anglais« ou Anonymus Neveleti) qui figuraient également parmi les auctores lus à l’école reprennent ce thème: dans le manuscrit Rigoli (GHIVIZZANI, 21), on rappelle, en quelques vers essentiels, la nécessité d’être prévoyant à l’image du petit insecte pour éviter une vieillesse malheureuse; dans la fable 95 du manuscrit Riccardiano 1764 (ibid.) on insiste sur le fait qu’il faut travailler lorsqu’il est temps et on se souvient du mot de Salomon »che l’uomo pigro si dee imprendere dalla Formica«.

Dans les textes appartenant à cette même série la modestie de la fourmi, devenue proverbiale dès sa confrontation avec la vantardise de la → mouche, eut un écho également important: »la Formica è assomigliata all’uomo, che non offende altrui, ma, quando è offeso, sa rispondere« (GHIVIZZANI, 37). Tout à fait en ligne avec la tradition, mais avec une verve surprenante de la langue, dans l’Esopo Toscano (BRANCA 1989, 38) et dans l’Esopo Veneto (BRANCA 1992, 39), la fourmi répond à l’insolence de la → mouche et reprend les arguments de celle-ci pour les développer en sa propre faveur: elle mange pour vivre alors que la mouche vit pour manger, elle sait jouir du peu qu’il lui faut et elle vit en paix sans déranger personne. Accio Zucco dans son Esopo de la fin du XVe siècle (BRUSH, 37) montre l’exemple de la fourmi pour insister davantage sur la morale: »prima vertute è costringere la lingua«. A la même époque, le Napolitain Francesco del Tuppo insiste sur l’habileté rhétorique de la fourmi: dans la tropologie qui suit sa version de l’apologue ésopique (DE FREDE, 39) il en loue la réponse »cussì logicale e piena de polite argumenti«.

Ausg.: Esopo zuccarino, éd. M. P. BRUSH, dans: Studies in Honor of A. Marschall Elliott, t. 1, 1911, 375-450, voir 418; Francesco Del Tuppo: Aesopus. Vita et fabulae latine et italice, éd. C. DE FREDE, 1968; Esopo toscano dei frati e dei mercanti trecenteschi, éd. V. BRANCA, 1989; Esopo veneto, éd. V. BRANCA, 1992.

Lit.: P. CIFARELLI: Una traduzione italiana delle »Fables« di Marie de France. La parola del testo 2 (2005), 432; P. CIFARELLI: La fortune de Marie de France en Italie aux XIVe et XVe siècles. Reinardus 19 (2006), 53-73; G. GHIVIZZANI: Il volgarizzamento delle favole di Galfredo dette di Esopo, 1968.

Laura Ghiosso

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Ameise – E.2 – II.1 Physiologus, Bestiarien

Die Ameise ist eines der Tiere, die in der mittelenglischen Fassung des Physiologus Theobaldi behandelt werden (Z. 153-187). Der Autor beschreibt die Vorratshaltung der Ameise, die im Sommer und bei gutem Wetter fleißig Vorräte anlegt, um im Winter und in Zeiten der Not genügend Nahrung zu haben. Dabei bevorzugt die Ameise Weizenkörner und vermeidet Gerste. Die Körner werden zerbissen, damit sie nicht keimen und verderben. Diese Eigenschaften werden in der ›significacio‹ auf den Menschen übertragen, der während seiner Lebzeit durch gute Taten vorsorgen soll, damit er beim seinem Tode bzw. beim Jüngsten Gericht einen ›Vorrat‹ besitzt, von dem er zehren kann. Die Gerstenkörner werden als das Alte Testament interpretiert, während der Weizen für das Neue Testament steht.

Ausg.: The Middle English Physiologus, ed. H.WIRTJES, 1991.

Thomas Honegger

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